[Die grosse Nichtigheit]

[45] Die grosse Nichtigheit

Der kurtzen Lebens-zeit

Bekümmert meinen Sinn,

Der Frewden güldner Schein

Muß gantz verloschen seyn,

Ich falle gar dahin:

Schaw, wie ein Rauch entsteht,

Dahin fährt, vnd vergeht,

Wie Schäm vnd Schatten weichen,

Wie man die Handt vmbwendt,

Ein Pfeil die Lüffte trennt,

So muß ein Mensch verbleichen.


Vnd dennoch, dennoch sind

Wir tolles Volck so blind

Vnd geben nichts darauff:

Wir bawen in die Welt,

Alß wer vns hie bestellt

Der Ewigheiten Lauff;

Der strebt durch Schwerd vnd Glut

Nach Ehre, der nach Gut,

Kan nicht ersättigt werden,

Indessen kömpt der Todt,

Vnd füllt vns mit dem Koht

Der lang-erkratzten Erden.


O Thorheit, welche man

Fast nicht ermässen kan!

Der Himmel ist vns schlecht;

Hie bawt man Hoff vnd Hauß

Vnd schläget dort offt aus

Das wahre Bürger-Recht:

Ach endlich ist es gnug,

Kompt, werdet einmal klug,

Seht, wo ihr ewig bleibet,

Wo weit von Pein vnd List

Der Seelen Ruhstat ist

Vnd kein Todt vns vertreibet.


Steht eilends auff, vnd wacht!

Es ist vmb Mitternacht,

Man klopfft schon an die Thür:

Verseht die Lampen wol,

Füllt sie mit Oele vol,

Der Breutgam ist schon hier.

Ach komm, Herr Jesu, bald!

Komm, vnser Auffenthalt,

Laß vns bereittet stehen,

Hie wohnt nur Müh vnd Streit,

Dort lauter Seeligheit,

Wir wollen mit dir gehen!

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 45-46.
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