[Vater, deine Ruth']

Vater, deine Ruth'

Hab ich gnug geschmecket,

Deines Eiffers Glut,

Hat mich stets erschrecket,

Vmb mein Leiden weist

Du erst allermeist.


Nunmehr wil es auch

Mit mir Abend werden,

Wie ein dünner Rauch

Auffsteigt von der Erden,

Wie ein Dampff entsteht,

Aber bald vergeht.


Also nehm' ich ab,

Meine krancke Glieder

Eilen in das Grab,

Alles legt sich nieder:

Ich bin alt und matt

Vnd des Lebens satt.


Aber weist du dich

Mein nicht anzumassen?

Wirst du jetzund mich

Hülff- und Trostloß lassen?

Wird dein Wort allein

Mir nicht Warheit seyn?


Ich wil Euch, sprichst du,

Seyn in bösen Tagen,

Auffenthalt und Rhu,

Euch im Alter tragen,

Ewer grawes Haar

Retten aus Gefahr.


Diß vollbring an mir

Die ich mühsam lebe,

Tag und Nacht zu dir

Meine Händ' auffhebe,

Vnd ohn unterlaß

Bin von weinen naß.


Wie ein Wandersmann

Nach der Herberg eilet,

Sieht kein Wetter an,

Nirgends sich verweilet,

Also sehn ich mich

Auch zu schawen dich.


Vnterdessen steh

Hie mir, Herr, zur Seiten,

Hilff mir alles Weh

Fein getrost bestreiten,

Tilge meine Schuld

Vnd verleyh Gedult.


Ist es dann dein Will'

Vnd ich sol verscheiden,

Ey so nimm mich still

Hin aus diesem Leiden,

Stell die wahre Rhu

Mir im Himmel zu.
[432]

Da an keine Qual

Mehr gedacht wird werden,

Da kein Thränen-Thal

Vnd kein Angst-Geberden,

Sondern Frewd allein

Wird ohn Ende seyn.


Da wil ich dir Danck

Mit den Engeln geben

Durch der Stimmen Klang

Deinen Ruhm erheben

Der du ewig Gott

Bist, Herr Zebaoth!

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 425-426,432-433.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon