[18] Geschrieben von Simon Dachen
Anno 1635.
Die Zeit ist hie, das grosse Leiden
Ist länger nun nicht zu vermeiden,
Die Centner-schwere Sünden-Last,
So je die Sterblichen auff Erden
Begangen vnd begehen werden,
Lest mir nun länger keine Rast.
Was war es groß den Himmel lassen,
Der hohen Gottheit aller massen
Sich eussern, vnd erniedrigt gehn?
Was war es grosses sich nicht schämen,
Des Menschen Wesen anzunehmen,
Mit Fleisch vnd Blut bekleidet stehn?
In sein selbst Eigenthumb zu kommen,
Vnd doch nicht werden auffgenommen,
In tieffster Armut jmmerdar
Vernichtet vnd verachtet leben,
Sich müssen auff die Flucht begeben,
Erdulden Kummer vnd Gefahr?
Jetzt werden erst die grosse Plagen
Recht über mich zusammen schlagen,
Gott, deines Eiffers wilde Flut
Wird seinen Abgrundt auff mich stürtzen,
Vnd meinen Athem mit verkürtzen,
Mehr als der Winde wütten thut.
[18]
Ich seh', es kommen schon gezogen,
Herr, alle deine Wasserwogen,
Wie stürmt dein Eiffer doch so sehr!
Die grosse Flut wil mich erseuffen,
Die vngezämbte Wellen heuffen
Vnd stärcken sich je mehr vnd mehr.
Das strenge wütten deiner Nasen
Wil wieder mich ein Fewr auffblasen,
So alle meine LebensKrafft
Wird gar außdörren vnd außsaugen,
Biß meine Glieder nicht mehr taugen,
Vnd ich werd' in den Staub gerafft.
Es schärffen Löwen jhre Klawen,
Vnd lassen wieder mich sich schawen,
Viel Ochsen sind auff mich ergrimmt,
Ich seh' Einhörner auff mich rennen,
Die Zahl der Feind' ist nicht zu nennen,
Die wieder mich zusammen stimmt.
Das vngehewre Reich der Hellen
Gedenckt am meisten mich zu fellen,
Der alte Drache nimmt sein Gifft
Mir einen Mordstich beyzubringen,
Sein gantzes Heer wil mich verschlingen,
Durch alles was die Seele trifft.
Sie wollen mich wie Weitzen sichten,
Die Pfeile, so sie auff mich richten,
Sind alle gifftig zugespitzt,
Gefiedert nur mit List vnd Triegen,
Sie meinen stracks mir obzuliegen,
So sehr sind sie auff mich erhitzt.
Sie suchen jhre Krafft zusammen,
Die eusserste Gefahr der Flammen,
Das allerärgste Seelenweh',
Als je gewest, sol mich versencken,
Man hoffet gantz mich zu ertrencken
Im tieffen Schlam der Höllen-See.
Ich werde wie ein Hirsch geplaget,
Das von den Hunden wird gejaget,
Leufft schnell vnd furchtsam durch den Wald,
Schreyt jämmerlich vnd suchet Hecken
Sich vor den Winden zu verstecken,
Vnd find doch nirgends Auffenthalt.
Die Hunde wollen nicht ablassen,
Vnd meinen jetzt nur anzufassen,
Das arme Wild ist über das
Auch von der Schlangen wund gebissen,
Vnd sehnet sich nach kühlen Flüssen,
Bis daß es fellet müd' vnd laß.
Jerusalem, du wirst zu dancke
Mir werden meine Marterbancke,
Wie sehr hastu mir nachgestellt
Vnd deine Zähn' auff mich gewetzet?
Ich werde darumb auch erhetzet
Vnd jämmerlich in dir gefellt.
Hie werd' ich durch den Stich der Schlangen
Am Holtze werden auffgehangen,
Hie wird das Opfer abgethan,
Daß alle Welt von jhren Sünden
Sol ledig machen vnd entbinden,
Hie stirbt der rechte Pelican.
[19]
Der Hohepriester wird sein Leben
Hie selber zum Schuldopffer geben
Ins Allerheiligst' einzugehn,
Hie wird man mich am Creutze tödten,
Doch wil ich, Todt, auß deinen Nöthen
Nach dreyen Tagen aufferstehn.
Nun weistu, Gott, wie ich gewandelt,
Vnd ob ich wieder dich gehandelt,
Ich bin mir keiner Schuld bewust,
Man such' in meine Lehr' vnd Worte,
Man forsche meines Hertzens Pforte,
Wie du, geliebter Vater, thust.
Wird etwas nur in den Gedancken,
Von des Gesetzes Richtschnur wancken,
So wil ich ewig sein ein Raub,
Es werde meiner gantz vergessen,
Der Feind sol meine Seele fressen,
Man mache mich zu Sprew vnd Staub.
Doch wil ich alles gerne dulden,
Ich wil bezahlen frembde Schulden,
Man mag mein Leben vnd mein Blut
Zu rauben mich zur Schlachtbanck führen,
Ich wil auch meinen Mund nicht rühren,
Recht wie ein stummes Lämblein thut.
Sie mögen fälschlich mich verklagen
Vnd eitel Lügen auff mich sagen,
Sie gehen wieder mich zu Rath,
Sie bringen auff mich falsche Zeugen,
Ich aber wil zu allem schweigen,
Als der kein Wieder-reden hat.
Ich lasse mich mit Dornen krönen,
Verspeyen, Geisseln vnd Verhönen,
Wil Mördern gleich geschätzet stehn,
Ich wil mich auch zur Erden bücken
Mein Creutz zu tragen auff dem Rücken,
Vnd so zu meiner Wahlstat gehn.
Diß thu ich, Vater, deinen Willen
In allen stücken zu erfüllen,
Es schreibt dein weises Buch von mir,
Ich hab' auch in den Todes-Schmertzen,
Herr, dein Gesetz in meinem Hertzen,
Vnd wil es halten für vnd für.
Nur laß hiedurch dein grosses toben
Vnd heissen Zorn sein auffgehoben,
Nim meine Schafe wieder an,
Denn das ich so geplaget werde,
Macht einig diese meine Herde
Von der ich gantz nicht lassen kan.
Was böses je von jhr geschehen,
Was sie verseumet vnd versehen,
Das bring' ich richtig wieder ein,
Vnd was bey ihr nicht wird gefunden,
Das schöpffet sie auß meinen Wunden,
Die jhr zu gut geschlagen seyn.
Ich wil ertragen alle Straffe,
Nur schone meiner armen Schaffe,
Ich trette zwischen dich vnd sie,
Vnd wil sie vor dem grossen blitzen
Vnd Donnern deines Wetters schützen,
Als ein sehr schwaches zartes Vieh;
[20]
Ein Volck das gentzlich mich verstehet,
Wie tieff es in dem Irrthumb gehet,
Ein hauffe der sich selbst nicht kennt,
Der zu dem guten ist erstorben,
An Leib' vnd Seele gantz verdorben,
Der willig zu der Hellen rennt.
Ihr aber, die ich vom Verderben
Erlöse durch mein Blut vnd Sterben,
Ihr Menschen, seht wo meiner Noth
Der höchste Jammer was wird schencken,
So sol der Kelch mich zweymal trencken
Den Gott mir giebt auff meinen Todt.
Wo wird gehöret vnd gelesen,
Das jemand so geplagt gewesen
Vnd so verhönt, als ich muß seyn,
Nichts, was da lebt, hat solche Wunden
An seiner Seel' als ich empfunden,
Nichts wird verglichen meiner Pein.
Hiezu hat mich sonst nichts getrieben,
Als daß ich euch so sehr muß lieben,
Ich seh' in was für Noth jhr seid,
Ich seh' euch ewiglich verlohren,
Die Ihr zum Leben seid erkohren,
Es sey daß jemand euch befreyt.
So kompt nun her, in meinen Banden
Sol ewre Freyheit sein verhanden,
Von meiner scheußlichen Gestalt
Solt jhr den besten Zierath nehmen,
In meinem höchsten Spott vnd Schämen
Steht ewer bester Auffenthalt.
Mein grosser Durst sol ewren stillen,
Vnd euch mit Lebens-Wasser füllen,
Das Rohr, die spitze Dornen-Krohn',
In der ich muß verächtlich sterben,
Macht euch zu meines Reiches Erben,
Mein Raub gedeyet euch zum Lohn.
Mein Trawren dienet euch zur Frewden,
Vnd meine Blösse sol euch kleiden,
Mein Darben ist ewr höchstes Gut,
Mein Niedrig-gehn sol Euch erheben,
Mein herber Todt ist ewer Leben,
Vnd ewre Reinigung mein Blut.
Ich schwer' Euch bey dem falschen küssen,
Bey meinen durchgebohrten Füssen,
Vnd was man kläglichs an mir schawt,
Bey meinem kümmerlichen heulen,
Vnd blutig vnterlauffnen Beulen,
Bey meiner ausgedehnten Haut;
Ich schwer' Euch bey dem Todesstreiten,
Bey meiner auffgespaltnen Seiten,
Vnd dem, wodurch die böse Rott'
Jetzt wieder mich sich hat empöret,
Bey allem, welches mich vnehret,
Bey meinem grossen Hohn vnd Spott;
Ich kan Euch hertzlicher nicht lieben,
Noch Euch zu gut was mehr verüben,
Nur kompt zu mir, damit ich Euch
Durch meinen reichen Trost erquicke,
Vnd dann gewünschet nach mir zücke
In Gottes meines Vatern Reich.
[21]
Wer aber auff mein freundlich locken
Nicht kömpt, vnd wil sein Hertz verstocken,
Wer sich an mein Verdienst nicht helt,
Den laß' ich in des Sathans Ketten,
Dieweil Euch anders zu erretten
Es meinem Vater nicht gefellt.
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