Klaglied

[138] Schreib' ich denn in diesen Tagen

Nur von lauter Angst vnd Noht,

Vnd mus ich auch deinen Todt,

Vater, eben ietzt beklagen,

Dem ich hochbekränckten Sinn

Sonst für andern schuldig bin?


Wolte Gott du möchtest leben,

Wie wir vnsern Wunsch gemacht,

Oder hettest gutte Nacht

Vns zur andern Zeit gegeben,

Daß ich beydes Hertz vnd Handt

Hett' allein auff dich gewandt.


Ach was sol ich ietzund singen?

Werd' ich auch für deinen Preiß,

Dem ich nicht fast gleichen weis,

Thränen wissen zu erzwingen?

Vnser aller Angst vnd Pein

Wird doch hie zu wenig seyn.


Vnrecht rührt man itzund Geigen,

Unrecht Flöhten vnd Gesangk,

Aller Stimm' vnd Seiten-Klangk

Sampt den Orgeln sol ietzt schweigen:

Der vns singen hat gelehrt

Wird anietzt nicht mehr gehört.


Wer im Land Ihn hat geliebet,

Ihn vnd was Er je gesetzt

Vnd sich damit gern ergetzt,

Gehe neben mir betrübet,

Gottesfurcht vnd Heiligheit

Seyn mit Aschen überstrewt.


Was giebt Kirchen sonst gepränge,

Weder Gottes reines Wort,

Dann auch, daß man fort vnd fort

Sie bereichert durch Gesänge,

Die von Künstlern sind gemacht

Nur zu Gottes Nahmens-pracht?


Nun dergleichen schöne Lieder

Singst du Hochbegabter Preiß

Auch nur durch Stobeus Fleiß

In den Kirchen hin vnd wieder

Reichlich, daß kein Ort der Welt

Dir hierinnen gleich sich hält.


Lasset Knaben vnd Jungfrawen

Als der Vnschuld liebe Schaar

Gantz vmbringen seine Bahr,

Lasst sie vmb nach Blumen schawen,

Vnd vmb seinen Sarg her ziehn

Lorbeer-Streuch' vnd Rosmarihn.
[139]

Was die Zucht pflegt zu verletzen

Vnd die Vnschuld ärgern kan,

Das hat dieser Wehrte Mann

Keines weges wollen setzen,

Sein Werck singt vor Gottes Ohr

Auch der keuschen Engel Chor.


Seelig hab ich mich zu preisen

Mich vnd mein geringes Spiel,

Daß Er meiner Lieder viel

Hat beseelt mit seinen Weisen,

Welches mir die Ehre bringt,

Daß mich gantzes Preussen singt.


Hett ich Armer doch gewachet,

Wie ich mir dann vorgesetzt,

Daß Er mir zu gutter letzt

Mein Begräbnis-Liedt gemachet,

Nein der Todt harrt hierauff nicht,

Eilt mit Ihm aus diesem Liecht.


Die wir nah' Ihm angehören

Vnd vns manche liebe Zeit

Seiner Gegenwart erfrewt,

Lasst vns sein Begräbnis ehren,

Bringt ein jeder etwas mit:

Mein Vermögen ist ein Liedt.


Vnd für allen Weh vnd Zehren,

Weint vmb Ihn den Kindern gleich

Die bey Ihrer Eltern Leich

Aengst- vnd schmertzlich sich gebähren,

Ihm wird doch nach meinem Wahn

Viel zu wenig angethan.


Währ' ich nur so reich von Schätzen,

Meine Güter grieff ich an,

Wolte diesem lieben Mann

Ein gewünschtes Denckmahl setzen,

Dessen Zeug denn soltte seyn

Wo nicht Ertz doch Marmor-Stein.


Gar zu oberst soltu müssen

Mir sein Bildnis seyn erhöht,

Wie es etwa Polyclet

Möcht am allerbesten giessen,

Aber umb den mitteln Ort

Solten stehen diese Wort:


Halt, O Gast! Stobaeus Glieder

Sind in dieser Grufft verhüllt,

Welcher Preussen hat erfüllt

Durch sehr Kunstreich-heilge Lieder,

Welt vnd seines Ruhmes Klangk

Kriegen einen Vntergangk.


Vnterdessen wil ich bawen

Ihm ein Denckmal in mein Hertz,

In dasselbe soll der Schmertz

Sein Gedächtnis tieff hin hawen,

Weil ein Geist sich regt allhier,

Lebt Stobaeus auch in mir.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 138-140.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon