|
Simon Dachen
1649. 18. Mey.
Wie so gar liederlich sind wir
Vmb diesen Mann nun auch gekommen:
O Jammer, daß der Vnschuld Zier
So häuffig uns wird weg genommen!
Wo rührt diß mächtig Vnglück her?
Sind wir zu Schlacht-Vieh denn erkohren?
In vierzehn Tagen ohngefehr
Sind in die dreissig Mann verlohren.
Vnd alle junge Leute zwar
Schön, starck und frewdig von Geberden,
Von welcher jedem Hoffnung war,
Es würd aus ihm was stattlichs werden;
Der wahren Frommheit Eigenthum,
Der Zierraht unsrer hohen Schulen,
Vmb welche Lust und Fleisses-Ruhm
Vnd alle Tugend schien zu buhlen.
[275]
Der Eltern Hoffnung, Ruh und Trost,
Sind so erbärmlich uns verblichen,
Wie Blümchen, die ein strenger Ost
Zu hart umb kalte Nacht bestrichen.
Wo bleibt nun unsre Wissenschafft?
Hie hat sie Anlaß Ruhm zu kriegen.
Nein, Kunst, Raht, Hertz und Kräuter Krafft
Muß mit der Jugend gleich erliegen.
Der Himmel hat nicht Schuld daran,
Die Lufft ist rein, und klar das Wetter,
Der Mey kröhnt alles umb und an,
Der Acker grünt, der Wald kriegt Blätter.
Was stirbt von andern Leuten groß?
So wenig sind fast nie begraben,
Muß unsre Schul allein und bloß
Dieß unverhoffte Hertzleid haben?
Vnd zwar die andre Schar ist rein,
Gott wolle sie auch lang erhalten,
Nur der gemeine Tisch allein
Muß wie durch eine Pest, erkalten.
Was werden die so draussen sind
Auff diese böse Zeitung sagen?
Wie manche Mutter wird ihr Kind
Mit Blut, an Thränen stat, beklagen?
Kompt nun aus frembden Landen her,
Lasst Euch die Reise nicht verdriessen,
Geduldet Euch, flieht kein Beschwer,
Daß ihr der Gutthat mögt geniessen.
Vnd wenn ihr eingenommen seyd,
So habet Gifft und Tod zur Speise,
Lasst ewer Hauß in Hertzeleid'
Vnd unsre Schul in schlechtem Preise.
O Gott, der du unschuldig Blut
Auch bey den Thieren nimmst in Straffe,
Kühl an den Schuldigen den Muth,
Was thun dir diese arme Schaffe?
Bring du die Warheit an das Licht,
Halt ferner über unserm Stande,
Daß ja durch Vrtheil und Gericht
Dieß Blut nicht bleib auff diesem Lande.
[276]
Was bitt' ich? Wozu soll die Noht
Wozu mein Zorn und Eiffer dienen?
Sie sind und bleiben auch wol todt,
Auch Herr Bazelius mit ihnen.
O wäre dieser wehrte Mann
Zum wenigsten noch überblieben!
Ach nein, der Tod sieht keinen an,
Er muß den andern gleich verstieben.
Weint die ihr von Ihm unterricht
In Künsten pflaget zu empfangen,
Seht ewers Fleisses Brand und Licht
Ist unanzündlich außgegangen.
Erkennt an ihm die Lieb' und Trew
Durch eine schöne Todten-Gabe,
Nehmt Klage, Thränen, Angst und Rew
Vnd kompt damit zu seinem Grabe.
Ihr könnt doch seinen trewen Sinn
Mit keiner andern Müntze Zahlen,
Fallt über seinen Leichnam hin,
Vnd küsset ihn zu tausent mahlen.
Es wiederschalle gar die Lufft
Durch ewre Klag' an allen Enden,
Werfft dreymal Erd auff seine Grufft
Vnd deckt ihn zu mit trewen Händen:
Sprecht! Vater, nimm dieß so für gut,
Wir wissen dir nicht mehr zu reichen,
Kein überfluß an Geld und Gut
Ist deinem Fleisse zu vergleichen.
Dein Lohn, Herr, überträff uns weit,
Auch liessen wir ein Grabmal hawen
Daß, gleich wie Pharos vor der Zeit,
Fern aus der See wär' anzuschawen.
Gott wird das fromme Hertz in dir
Gewiß nicht unvergolten lassen,
Er wird mit Frewde, Pracht und Zier
Dich kröhnen dort ohn Ziel und Massen.
Vnd liegstu hie gleich tod und kalt,
So lebstu doch in unsern Sinnen
Mit deinen Gaben mannigfalt,
Biß daß man uns auch trägt von hinnen.
[277]
Wir werden rühmen alle Gunst
So dir geschencket der Ebreer,
Auch deine Weißheit in der Kunst
Der Griechen, Syrer und Chaldeer.
Wie eiffrig man dir zugehört,
Wie nie dein Fleiß gekunt ermüden,
Da als du öffentlich gelehrt
Die Sprache der beschnittnen Jüden.
Wie man jetzt deinen Tod beklagt,
Dein ehrlich und gerechtes Leben,
Was rühmlich dir wird nachgesagt
Dies alles wollen wir erheben.
Es müsse steter Vorjahrs-Schein
Vmb dein geehrtes Grab her gläntzen,
Vnd Pallas müsse dein Gebein
Behängen stets mit frischen Kräntzen.
Buchempfehlung
Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro