Sehnliche Klage

Vnd ich, o Bruder, hab' empfunden

Nun endlich auch noch deinen Tod,

Ach du mit dem ich mich verbunden,

Von Jugend auff in Lieb vnd Noht.


Wie hab' ich mir von meinem Leben

Die rechnung jederzeit gemacht,

Ich würd' es längst vor dir auffgeben?

Nun leb' ich, du wirst hingebracht.


Was muß ich über Ohnmacht klagen?

Was lässt der Durst mir selten Rhu?

Die Freunde werden hingetragen,

Ich leb' halb tod noch jmmer zu.


Blum, Ribou, Roberthin sampt andern

Wo sind sie? wer kennt jhren Pfad?

Sie haben dahin müssen wandern

Wo Stille stets die Herrschafft hat.


Du warst mir übrig noch von allen,

Mein Hertz war noch auff dich gestellt,

Vnd nun bist du auch umbgefallen,

Was leb' ich länger in der Welt?


Die Freundschafft muß vns vnterhalten,

Der Mensch ist ein gesellisch Thier,

Wenn die beginnet zu erkalten,

Was nützt vns lange seyn allhier.


Kein Glück taug Glantz ohn sie zu haben,

Ohn sie hat Hoheit keinen Pracht,

Sie würtzt vnd kröhnt vns alle Gaben,

Die Sonn ohn sie ist finstre Nacht.


Sol ich mir andre Freund' erwehlen?

Dieß wäre nun für mich zu spät,

So möcht' es mir auch warlich fehlen,

Sie sind zu dünn anjetzt gesät,


Wer würde so zu meinen Sinnen

Sich reumen, Bruder, als zwar du?

Du kantest mich, ich dich, von innen,

Was meine war, war deine Rhu.


Ich hette Thürn' auff dich gebawet

So fest war deiner liebe Grund,

Was deinem Hertzen ward vertrawet

Stieg nie herauff dir in den Mund.
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Was sol ich ferner Worte machen

Von deiner werthen Frömmigkeit,

Von Sanfftmuth, Still vnd andern Sachen?

Du warst ein Wildprät vnsrer Zeit.


Kein Kind weiß über dich zu klagen,

Was man dir jmmer zugefügt,

Hast du bescheiden stets ertragen

Vnd blos dich mit Gedult begnügt.


Kein Arbeit war dir je zu wieder,

Die dich nicht wenig umbgebracht,

Zu stellen dem vnd jenem Lieder

Bist du gesessen manche Nacht,


Vnd solches gern vnd vnverdrossen,

Hast dich wildfrembden angewand,

Was aber du davor genossen

Ist Gott vnd dir vnd mir bekant.


Nun wird man allererst dich missen,

Dich gern, es kömpt vielleicht die Zeit,

Im Leben wieder wollen wissen,

Vmbsonst, du liegest abgemeyt.


Der Thum hat schon nach dir verlangen,

Die Orgel ist von Vnmuth schwer,

Wird sie mit solchen Liedern prangen,

Nun du jhr abstirbst, wie bißher?


Du hast gelehrt vns Preussen singen,

Dir schweigte Midas sein Geschrey,

Gebirg vnd Thal muß noch erklingen

Von deiner süssen Melodey.


Du legtest offt dem schnellen Pregel

Durch Stimm vnd Seiten seinen Lauff,

Gieng ohngefehr vorbey ein Segel,

So hieltst es du, ein Orpheus, auff.


Wie klagt hie Echo deinetwegen,

Dieweil dein Spielwerck schweiget, rufft

Sie vns so hell nicht mehr entgegen,

Sie trawret vnd mit jhr die Lufft.


Pan lässt für vnmuth sich nicht hören,

Die Nymphen klagen gleich wie er,

Er weiß nun nichts von seinen Röhren,

Die sind zubrochen aus Beschwer.


Wie wird es stehen vmb die Deinen,

Was Noht wird da seyn überall?

Wie wird Herr Schütz so hertzlich weinen,

Wird er erfahren deinen Fall?


So weit dein Nahm dich hat getragen,

Der Oder-Elb- vnd Schelde Strand

Wird hertzlich deinen Tod beklagen,

Vnd deines Fleisses trewe Hand.


So offt man wird die Lieder hören,

Die deine Kunst vns hat geschenckt,

So offt wird auch dein Lob sich mehren,

Das nie kan werden eingesenckt.


So lang der schnelle Pregel rauschet

Vnd träncket den gelehrten Thum

Vnd reiche Wahren hie vertauschet,

So lang besteht dein werther Ruhm.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 404-405,410-411.
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