An Reimar Leo

[244] 1649.


Jetzt schlaffen Berg' vnd Felder

Mit Reiff vnd Schnee verdeckt,

Auch haben sich die Wälder

In jhr weiß Kleid versteckt,

Die Ströme stehn geschlossen,

Vnd sind in stiller Ruh,

Die lieblich sonst geflossen

Mit lauffen ab vnd zu.


Die Bäume, die sonst tragen

Schön Obst in grün verkleidt,

Die müssen jetzt beklagen

Des strengen Nordens Neid,

Nichts ist anjetzt zu finden,

Was sonsten vns erfrewt,

Die Lust der Berg' vnd Gründen

Ist jetzund Trawrigkeit.


So lange biß sich reget

Der sanffte Westenwind,

Vmb Berg' vnd Feld sich leget,

Zun Wäldern auch sich findt

Vnd weckt, was sich verkrochen

Hatt' in den tieffen Schnee:

Der Lentz ist angebrochen,

Ein jedes nun auffsteh':


Alß muß die Welt erwachen,

Das Winterkleidt außziehn,

Die Berg' vnd Felder lachen,

Die Hügel werden grün,

Die Wälder sich vernewen,

Ein jedes sich erfrewt,

Wie wann man geht zum Reyen,

Vnd anders sich verkleidt.
[244]

Die Ströme müssen lauffen

In jhren alten Gang,

Der Vögel leichte Hauffen

Stimpt an den Lobgesang,

Die Lerche thut sich schwingen,

Schreyt in die Lufft hinein:

Wir, wir, wir, wir, wir singen

Dir, dir, dir Gott allein.


Jetzt steht das Heer der Sternen

Am Himmel auff der Wacht,

Vnd leuchten vns von fernen,

Vmb das es Mitternacht,

Bald wird mit jhren Straalen

Aurora bey vns seyn,

Der Berge Spitzen mahlen,

Die Sternen führen ein.


Nichts mag gefunden werden,

Was nicht den Wechsel helt,

Bald steht ein Ding auff Erden,

Bald hin es wieder felt,

Vorauß wir die wir schweben

Vmb dieses wüste rund,

Daß dieß sey vnser Leben,

Ist allenthalben kund.


Wir müssen außgetauschet

Eins vmb das ander seyn,

Wie eine Flut hinrauschet,

Die andre schlegt herein,

So bald wir vns verkriechen

Ein jeder in das Grab

Vnd Todes sind verbliechen,

Sind die vns lösen ab.


Das grosse Hauß der Erden

Das nemmen ander' ein,

Die schon gebohren werden,

Dieweil wir hie noch seyn,

Darumb wir offt vns hassen

Vnd krencken ohne Ruh,

Daß muß man andern lassen

Vnd Rückwerts sehen zu.


Der Wechsler aller Sachen,

Der fest hierüber helt,

Hat dieses war zu machen

Bey Euch auch auffgestelt,

Fraw Braut, der Euch ergetzet,

Nach dem er abgeführt,

Der sich mit Euch geletzet

Vnd ewer Hertz gerührt.


Der Leib bloß ohne Sinnen

Ist todt vnd muß vergehn,

Die Regimenter künnen

Nicht ohne Häupt bestehn,

Ohn' jhren König sterben

Die Bienen, ohne Hirt

Die Herde muß verderben,

Ein Hauß auch ohne Wirt.


Drumb jhr die Stell' ersetzet

Recht wol mit einem Mann,

Der Euch in dem ergetzet,

Was Euch mag liegen an,

Doch seyd jhr deß Bescheiden

Sampt allen in gemein:

Vermischtes Leid mit Frewden

Muß jeder Ehstand seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 244-245.
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