|
20. Nov. 1635.
O Du vormals grünes Feld,
O jhr Püsch und Awen,
Vor mein Pallast vnd Gezelt,
Jetzt ein ödes grawen,
O jhr Bäche, die jhr klar
Hin-zu-rauschen pflaget,
Da wo Pan der Nymphen Schar
Offtmals hat verjaget.
Meine Phyllis zwingt mich euch
Gutte Nacht zu geben,
Ihr seyd trawrig, tod vnd bleich,
Sie ist gantz mein Leben,
Euch ist durch des Herbstes noht
Aller Pracht vergangen,
Sie ist weiß vnd Sonnen-roht
Auff den frischen Wangen.
Bey euch stürmt es ohne ruh,
Vnd in allen Hölen,
Phyllis weht ein Theil mir zu
Ihrer edlen Seelen,
Bey euch muß ohn vnterlaß
Sich die Lufft ergiessen,
Sie wird nur von Thränen naß
Vmb die Nacht-Zeit fliessen.
Keine Sonne lacht euch an,
Ihr Gesicht von fernen
Ist, was mich ergetzen kan
Trotz den lichten Sternen.
Ich wil in der Phyllis Schoß
Steten früling führen,
Bey euch möcht' ich Nackt vnd Bloß
Vnd vor Kältt' erfrieren.
[33]
Darumb sol nur sie allein
Mir an stat der Felder
Vnd an stat der Berge seyn,
Hie sind meine Wälder,
Meine Brunnen sind allhie,
Wo ich ohne leiden
Meine Seele spat vnd früe
Sicher Werde weiden.
Kein betrübtes Sinnen-weh
Sol mich hie erschrecken,
Ihrer weissen Arme Schnee
Wird mich trewlich decken,
Mein verliebtes Hertze sol
Zwischen jhren Brüsten
Als den Hügeln, welche vol
Süsser frewde, nisten.
Dieses ist mein Keyserthumb,
Diß sind meine Schätze,
Was hat sonst bey mir den Ruhm,
Das es mich ergetze?
Dieses ist das rechte Ziel
Meiner Müh auff Erden,
Was mein Hertze denckt vnd wil
Muß mir Phyllis werden.
Zeucht ein Kauffmann hin vnd her,
Vber Stock vnd Steine,
Durch die Klippen, durch das Meer,
Durch die wüsten Haine,
Was er suchet für vnd für,
Vnd ich mag gedencken,
Kan mir meiner Phyllis zier
Reicher vorraht schencken.
Viel erzwingen jhre lust
Auß dem wilden Kriegen,
Da sie offt in Reiff vnd Frost
Vnterm Himmel liegen.
Vnterm Himmel darff ich nicht
Reiff vnd Frost ertragen,
Gleichwol giebet mir mein Liecht,
Worumb sie sich plagen.
Die sind vber Leut vnd Land,
Reich an schönen Städten,
Diese muß der flüsse rand,
Die das Meer anbeten,
Meine Phyllis, die mich helt,
Kan mich reicher machen,
Sie ist mir die gantze Welt
Bey so schlechten Sachen.
Andre fallen immer hin
Zu des Glückes Füssen,
Es vmb Ehr' auß eytelm Sinn
Freundlich zu begrüssen,
Nun sich meiner Phyllis gunst
An mir hat verliebet,
Ist mir aller Ruhm ein dunst
Den das Glücke giebet.
Bey der Phyllis hab' ich mich,
Weißheit, dir vermählet,
Der hat alles, welcher dich
Klüglich jhm erwehlet,
Du bey meiner Phyllis bist,
Die mich vor dem blitzen,
So des Glückes eigen ist,
Krefftig weiß zu schützen.
Phyllis, mein gewünschtes gut,
Meine zier vnd Krone,
Du, in derer Milch vnd Blut
Ich am meisten wohne,
Komm, vns wil an solchen Ort
Venus selber leiten,
Wo vns keines Glückes Nort
Muß noch kan bestreiten.
Buchempfehlung
Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro