Christoph Mehlich und Catharina Hak

19. Nov. 1630.


Wie vngleich geht es zu auff dieser Lebens Reise,

Wie seltzam spielt mit vns auff sonder Art vnd Weise

Des falschen Glückes Rund, des angenehmen Fleiß

Sich Venus sonderlich wol zu gebrauchen weiß.

Wir ziehen alle zwar zu gleich an jhrem Wagen

Vnd sind in jhrem Dienst nach allem wolbehagen,

Dadurch vermeinen wir zu haben jhre Gunst,

Erweisen allen Fleiß, ersparen keine Kunst.

Sie aber lest doch nur, auff welchen sie wil, fallen

Die Stralen jhrer Gunst vnd ehret den vor allen,

Wem sie es gönt allein, sie hebet jhn empor

Der andern vngeacht, die leben nach wie vor

Der Liebe Grawsamkeit zu dienst in schweren Zügen,

Vnd steter Hertzens-Angst, davor sein grosses gnügen

Der Bräutgam jetzt empfind, er lebet gantz befreyt,

Indem er schläfft vnd wacht in steter Sicherheit.

Es setzet Venus jhn hoch an des Glückes Zinnen

Vnd lest jhn seine Lust nach eusserstem beginnen

Recht nehmen für vnd für, in dem sie jhme giebt

Ein freundlichs Frawenbild, daran er sich verliebt.

Nun zwar wir gönnens jhm, vnd wünschen jhm viel Segen,

Daß er vnd seine Braut die Zeit zubringen mögen

In höchstgewünschter Lust, wir müssen vnser Leid

Beklagen nur allein, daß diese süsse Frewd'

Vns kaum von fern nicht sieht, wir können nicht ersehen,

Wie es werd' einmahl noch mit vnser Lieb' ergehen,

Wir Schiffen ohne Meer, wir segeln ohne Wind,

Wir sehen keinen Port, darauff man fussen künt',

Vnd dennoch lieben wir, gleich wie die stoltze Wellen

Im tollen Meere gehn, geführt alß hin zur Hellen,

Die doch am andern Theil wie grosse Hügel sind

Erhaben durch die Fluth vnd strengen Nordenwind

Biß an der Sternen Sitz, so müssen wir auch leben,

Die wir der Liebe sind zu Pflicht vnd Dienst ergeben.

Der eine schwebt empor, der ander leidet Pein

Vnd muß des Glückes Rad vnd stete Kurtzweil seyn.[3]

Da kostets manchen Wunsch, da kostets manche Tränen,

Eh' vns das wird gewehrt, nach deme wir vns sehnen,

Wie offte machen vns viel tausent Seufftzer matt,

An stat der Speis' vnd Tranck macht vns das Weinen satt.

Bald nemmen wir zur Hand die schönen Schäffereyen,

Ob die vns möchten noch in etwas nur erfrewen,

Bald' auch den Amadis, was Naso hat gesagt

Vom Buhlen, solches vns vor Plato weit verjagt.

Wir lassen alles stehn, vnd dies seyn vnser tichten,

Der allerliebsten vns mit diensten zu verpflichten,

Auff daß es höfflich sey, wir brauchen vmbschweiffs viel,

Eh dann man von der Lieb' etwas gedencken wil.

Wir wägen alle Wort auff einer Wageschalen,

Besinnen hin vnd her zu vielen hundert malen,

Was vorzubringen sey, die dienste zu voran

Die werden abgeschickt das Werck zu fangen an.

Da nimbt man weiter denn gelegenheit zu sagen,

Biß wegen grosser Lieb' vns endlich wir beklagen,

Wie sie vns habe selbst das Hertz genommen ein,

Das bey vns nichts mehr ist als bitter süsse Pein,

Vnnd was der reden mehr ein Weibsbild zu bethören.

Wenn wir denn nun von Ihr abschläglich' antwort hören,

Da geht das klagen an, man wil des Lebens ab

Vnd meint die beste Ruh zu finden in dem Grab.

Da muß Cupido dann vnd Venus auch herhalten,

Vnd die man vor geehrt, die werden noch gescholten:

Cupido der Tyrann' auch sie die Zäuberinn',

Ich bin von Ihr gebländt, bin Kranck an Hertz' vnd Sinn.

Es muß die Liebst' auch dann von vns verachtet werden,

Wir schmähen, die zuvor die schönste war auff Erden,

Wiewols nicht hertzlich ist, im fall der bösen Lust,

Der wütenden begier ein anders ist bewust.

Wer nur was weiß vnd kan im tichten oder schreiben,

Der thut ihm nur die Zeit hie einig mit vertreiben,

Daß er sich sehr beklagt ob dero Tyranney,

Vmb derer willen er in Noth gerahten sey.

Er klaget an jhr Hertz, welchs gleichet Stahl vnd Steine,

Daß nie kein seufftzer nicht, wie sehr er jmmer weine,

Bewegen wil noch kan, wirfft seine Trew' jhr für,

Vnd macht vom Menschen sie zum grimmen ThiegerThier.

Er rufft die Götter an, die Rach' an ihr zu üben,

Alß die geliebt wil sein, vnd doch nicht wieder lieben,

Er saget, wie sie gar jhn vmb sein Leben bring',

Vnd wie er auch numehr fast mit dem Tode ring'.[4]

Hiemit vermeint er sie noch endlich zu bezwingen

Vnd jhren harten Sinn zu lieben auff zu bringen,

Die jhren stoltzen Sinn gewendet anderweit

Vnd frembder Liebe sich ergeben allbereit.

Vnd möchte man nun auch gleich jhrer Gunst geniessen,

Wie selten geht es zu, daß man ein gut Gewissen

Darob behalten solt', es ist vielmehr gefehr',

Alß wenn man niemals nicht von jhr geliebet wer'.

Im Fall dieselbe Lust, was bringt sie nicht zu wegen?

Vor Ehren Schimpff vnd Spott, den Fluch vor guten Segen,

Die gar zu falsche Lust, was bringt sie nicht für Leid?

Sie ist der Tugend Mord, sie ist ein Raub der Zeit.

Was einem, weil er Jung, die Lieb' hat geben müssen,

Das muß er, wenn er alt vnd schwach, offt erstlich büssen,

Es naschet mancher jetzt so viel ohn allen Raht,

Daß er biß in das Grab gnug zu verdawen hat.

Darumb wie wol sind die, so weit von solchen dingen

Zu jhrem Joche mag die keusche Liebe bringen,

Sie sind ergeben gar der höchsten freundligkeit,

Verwart vnd zugedeckt vor alles Glückes neidt.

Der Bräutgam wird nun auch hiervon zu sagen wissen,

Wenn er die keusche Lust mit seiner Braut wird büssen,

Es wird jhm numehr auch recht erstlich sein bekandt,

Was Liebe sey vor Noth, die ausser diesem Stand.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 3-5.
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