Sustinet inconcussa minas sapientia sortis

[87] Vor 1640.


Wil sich das Glück denn stets nur weiden,

Nie sättigen an meiner Pein?

Wo wird doch endlich meinem Leiden

Das Ziel vnd Maaß gestecket seyn?

Lesst auff den Hagel vnd das Wehen

Sich nicht einmal der Himmel sehen

Mit vnbewölcktem Sonnenschein?


Nachdem das Glück zu tausent malen

Bißher sich wider mich gelegt,

Gleich wie der Plitz mit Donnerstrahlen

Am meisten in die Eichen schlägt;

Auch wie der Feind mit wildem Hauffen

Ein festes Thor pflegt an-zulauffen

Das seines Landes Schlüssel trägt,


Nachdem es nie mir hold ist worden,

Geräth es noch auff solche List,

Vnd nimpt auß vnsrer Zahl vnd Orden

Den, der mein Hertz vnd Leben ist;

Für den ich zwey-mal wolte sterben,

Wenn ich Ihn wieder zu erwerben

Vnd lebendig zu machen wüst'.


Ach, ich vermag kein Wort zu sprechen!

Ich bin mir frembd vnd vnbekant,

Das Hertz im Leibe wil mir brechen,

Der Geist ist fern vnd abgewandt

Von allem, was ich thue vnd übe,

Gedenck' ich an die Trew vnd Liebe,

Die meine Seel' in seiner fandt.


Wolan, das Glück ist hoch gestiegen,

Doch kan es nun auch weiter nicht.

Sol ich hierunter gantz erliegen?

O nein! verzeih' es mir, mein Licht,

Ich wil mit kläglich-thun vnd weinen

Zwar deiner Aschen vnd Gebeinen

Erweisen meiner Dienste Pflicht:


Doch wil ich nie dem Glücke flehen;

Es mag mit höchster Tyranney

Sich trotzig wider mich auffblehen,

Sein wüten ist mir Wind vnd Sprey:

Vermag ich dieß Leid zu verschmertzen,

So trag' ich jetzt in meinem Hertzen

Auch für dem Tode selbst nicht schew.
[87]

Ich hoff', es sol mir noch gelingen,

Daß, wann ich schon lieg' eingehüllt,

Man rühmlich von mir werde singen

Die Reime, meiner Tugend Schild:

Wer ist der Feind, so noht gelitten?

Das stoltze Glück. Wer hat gestritten

Vnd obgesiegt? Ein Frawen-Bild.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 87-88.
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