Der Königsbronn in Dunsadal

[301] »Der ist allein ein König, wen bindet keine Pflicht,

Wer andrer Recht soll achten, der ist ein König nicht.«

So sprach der König Olaf, frisch kam er von Byzanz,

Hat dort als Gast bewundert des Imperators Glanz.

»Ich bin der trotz'gen Bauern von Svearike satt,

Wie Leo will ich herrschen in seiner goldnen Stadt.«

Er sandte seine Boten und Schatzung schrieb er aus:

Von jedem Kopf ein Schilling und zwölf von jedem Haus.

Und der Bote kam nach Dunsadal und bot das Volk zu Hauf

Zur Hofburg nach Upsala, zu Ting und Schatzung auf.

Da sprach ein Bauer – man kennt ihn nicht – sein Bart war weiß wie Schnee:

»Wer etwas will, der geht zu dem, von dem er's will, von je.

Wir woll'n von König Olaf nichts: – und will er was von uns,

So komm' er, wo wir tagen stets, an den Königsbronn von Duns.

Da harr'n wir sein zur Sonnenwend', wann die Linden in Blüten stehn.«

Der Bote ging und der König schwur: »Der Trotz soll euch vergehn.«

Und als die Lind' in Blüten stand, entbot er Roß und Mann

Und zog, dreitausend Reiter stark, nach Dunsadal hin dann.

Und als er kam zum Königsbronn mit den Seinen von Mittag her,

Zwölf alte Männer saßen dort, sonst war die Tingstatt leer.

Ein dichter Eichwald lag im Nord: hehr lag er, stolz und still,

Nur wenn der Wind in den Wipfeln ging, scholl's, wie wenn's wettern will.

Und der König ritt an des Brunnens Rand: – der Brunnen war schwarz und tief: –

Die Zwölfe saßen im Kreise still, der König aber rief:[302]

»Ich bin gekommen, ihr habt's gewollt: doch mit dreitausend Mann:

Wollt ihr jetzt tun, wie ich gebot, und gehorchen meinem Bann?« –

Da sprach ein Bauer – man kennt ihn nicht – sein Haar war silberhell,

Er trug ein großes Büffelhorn und sein Mantel war Bärenfell.

»Du hast gefragt:« – sprach der alte Mann – »als Antwort frag' ich dich:

Woher heißt der Brunnen Königsbronn, weißt du das, König, sprich?«

»Was soll der Bronn? ich weiß es nicht!« – »So will ich dir's tun kund:

Drei alte Sveakön'ge liegen in des Brunnens Grund.

König Knut war hart wie Eisen, er war von deinem Geschlecht.

Er wollte die Bauern zwingen und brechen das alte Recht.

Und war er hart wie Eisen, – die Bauern waren wie Stein,

Und sie nahmen den stolzen König und warfen ihn hier hinein.

Und auf Knut kam König Hako und auf Hako König Svein: –

Nun rede, König Olaf, willst du der vierte sein?«

Blutrot ward da der König und er zückte den Speer im Zorn,

Doch zur Seite trat der Alte und stieß in sein großes Horn.

Da ward der Wald lebendig und jeder Strauch ein Mann.

Rings Waffen, Waffen, Waffen: – wie die Meerflut schwoll's heran.

Und der Alte zog aus dem Mantel eine Streitaxt, die war schwer:

»Viel sind dreitausend, König, aber dreizehntausend sind mehr!

Du wolltest die Bauern zwingen, wohlan, die Bauern sind da,

Versuch's, versuch's, Herr Olaf: – der Königsbronn ist nah!«

König Olaf warf den Rappen herum, im Sturm jagt' er davon,

Und es kam kein Sveakönig je wieder zum Dunsabronn.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 301-303.
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