Der Leichenzug Otto III

[308] (Ferdinand Gregorovius zugeeignet.)


Ihr Welschen, weicht und gebt uns Raum

Und scheut die grimmen Streiche:

Wir tragen einen Kaisertraum

Und eine Kaiserleiche.


Dem Jüngling schien zu nebelgrau

Das schlichte Land der Sachsen,

Ihn zog's nach Südens goldner Au,

Wo stolz die Lorbeern wachsen.


Der Romstadt, die am Tiber prangt,

Ihr galten seine Taten: –

Die Römer haben's ihm gedankt,

Und haben ihn verraten.


Er ruhte nicht, bis er aufs neu'

Ihr stolzes Reich gestiftet: –

Die Römer schwuren ew'ge Treu'

Und haben ihn vergiftet.
[308]

Und als sein Herz litt Sterbensqual,

Begann es, deutsch zu schlagen: –

Das war das erst- und letztemal

In allen seinen Tagen.


Er sprach: »Ihr Freunde treu und schlicht,

Tragt mich zum Heimatlande,

Laßt einsam meine Asche nicht

Auf fremdem, falschem Strande.«


Und als er hob zum letztenmal

Das Haupt in goldnen Locken,

Da heulten dröhnend in den Saal

Zum Sturm die röm'schen Glocken.


Und als sein Blick den Glanz verlor

Da stand das Haus in Flammen:

Wir aber brachen aus dem Tor

Und hieben sie zusammen.


Da gab's ein mächtig Schrein und Fliehn,

Der Tiber ging in Leichen,

Das Forum und der Palatin

Erscholl von deutschen Streichen.


Wir trugen ihn von hinnen frei,

Mit Blut den Schritt erworben,

Und unter unserm Siegsgeschrei

Ist lächelnd er gestorben.


Wir tragen auf zwei Lanzen quer

Den Sarg bei Sturmgeläute:

Die Welschen schwärmen um uns her

Wie Wölfe nach der Beute.
[309]

Von jedem Dach fliegt Stein und Erz,

Es gellt der Weiber Stimme:

Wir ziehn dahin mit Stolz und Schmerz,

Mit stillem, heißem Grimme.


Den Helm geschlossen, nackt das Schwert,

Den Schild umklirrt von Pfeilen,

Ziehn wir, den Alpen zugekehrt,

Still, langsam, sonder Eilen.


Denn eine edel heil'ge Last

Wir tragen in der Mitte:

Da ziemet keine schnöde Hast,

Da ziemen stete Schritte.


Die kühnen Schwaben schreiten vorn,

Links Bayern, rechts die Franken.

Den Rücken decken, jäh im Zorn,

Die Sachsen, die nicht wanken.


So ziehn wir traurig, grimmig, stolz:

Am Tag trotzt uns kein Degen:

Von rückwärts nur zischt Pfeil und Bolz

Aus Öl- und Weingehegen.


Und fall'n sie uns zur Nachtzeit an, –

Sie finden wache Herzen,

Wir zünden ihre Dörfer an

Zu roten Leichenkerzen.


Haut nieder, was heran sich wagt,

Schont Weiber nur und Kinder,

Und jeder, den ihr niederschlagt,

Das ist ein Todfeind minder.
[310]

So ziehn wir fort durch Land und Strom,

Dem Vaterland entgegen,

Bis wir die heil'ge Last im Dom

Zu Aachen niederlegen.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 308-311.
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