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[208] Der Perserkönig hielt zu Susa Hof:
Aus allen Landen kamen die Satrapen
Und beugten in den Staub die stolzen Häupter;
Sie brachten alles Köstlichste zur Schatzung:
Des Meeres Perle und der Zeder Harz,
Der Edelstein des Bergs, des Stromes Gold
Ward reich zu Xerxes' Füßen hingestreut
Und fünfzig Kön'ge dienten ihm beim Mahl. –
Da war ein Mann aus Skythenland gekommen,
– Kein König: ohne König sind die Skythen –
– Nichts schatzend: denn die Skythen schatzen niemand –
Geraubte Rosse heischend, welche Knechte
Des Königs aus dem Grenzgebiet entführt,
Nur seine beiden Knaben sein Geleit. –
Der Mann fand Gnade vor des Königs Augen,
Weil er so anders war, als seine Sklaven.
Er nötigt ihn, zu bleiben Tag um Tag,
Ob längst der Zweck, um den er kam, erreicht;
Er zeigt ihm seine Schätze wie sein Heer,
Der Priester Weisheit und der Frauen Reiz:
Für alles hat der Gast ein sinnig Auge,
Und, wenn er redet, stets ein sinnig Wort.
Und als der Tag des Scheidens nun gekommen,
Da spricht der König: »Höre mich, Borast,
Ich darf nicht hoffen, dich zurück zu halten,
Denn deine Seele hängt an deinem Volk;[208]
Doch laß die Knaben mir: ich will sie hier
Mit meinen eignen königlich erziehn
Und sie dir reich und weise wieder senden.
Du willst nicht? Schüttle nicht das Haupt, Borast!
Du mußt doch selbst gestehn, es birgt mein Hof
Viel tausend Güter, eurer Steppe fremd.
Verschmähst du alle Schätze, wohl, so können
Von unsern Magiern deine Knaben lernen
Jedwede höchste, euch versagte Weisheit.« – »Nein,
O König, laß mich ziehn mit meinen Söhnen.
Nur eine Weisheit gibt's und diese, Xerxes,
Zu lernen komm zu uns ins Skythenland:
Hier ist sie nicht.« – »Nun,« lächelte der König,
»Und welches wäre diese höchste Weisheit?«
»Sie ist:« – sprach er und ging mit seinen Knaben –
»Den Tod nicht fürchten und die Wahrheit sagen.« –
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