Des Mönches Nachtlied

[335] Wann alle Stimmen schweigen,

Die laut den Tag gemacht,

Und still im Sternenreigen

Am Himmel geht die Nacht –


Dann schwebt aus duft'ger Ferne,

Aus dunkler Wolken Tor,

Der lieblichste der Sterne,

Dein Bild schwebt mir empor:


Befreit von Erdenstaube,

Von Himmelshauch umweht,

So heilig wie der Glaube,

So rein wie das Gebet.


In deinen Zügen malet

Sich sel'ge Traurigkeit:

Dein Auge widerstrahlet

Gott und Unendlichkeit.
[335]

Da legen alle Fluten

Von Welt und Leben sich,

Es löschen selbst die Gluten,

Die mich verzehrt um dich.


Ich falte meine Hände

Fromm wie ich nie geglaubt:

O Segen sonder Ende

Auf dein geliebtes Haupt!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 335-336.
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