Die stolze Maid von Falkenschloß

[354] Im Falkenschloß beim blauen Rhein saß eine stolze Maid,

Wollt' keines Mannes eigen sein: – das war gar vielen leid.


Wie ein Edelhirsch das Haupt sie trug, nicht wie ein minnig Weib:

»Ich bin mir selber Manns genug, frei bleibt mein Herz, mein Leib.«


Sie lud zum Hohn die ganze Zahl der Freier aufs Falkenschloß,

Das Auge sank vor der Schönheit Strahl, der prächtig sie umfloß.


Die Grafenkron' im schwarzen Haar, im seidnen Hochzeitskleid,

Ihr Blick flog spottend durch die Schar: »Ihr Herrn, ich bin bereit!


Ist einer unter euch, der sich hält meiner Minne wert?«

Sie schwiegen all'. – »Frau Gräsin, ich!« – rief einer und schlug ans Schwert.


Das war der Graf von Lützelstein, trat vor in Waffen licht:

Ihr Strafblick flammte wie Feuerschein, er senkte die Wimper nicht.


»Wer seid Ihr? Hab' Euch nie geschaut!« – »Kam jüngst vom Grab des Christ

Und wollte sehn die Niemandsbraut, die sich so hoch vermißt.«


Ihr Herz schlug warm, ihr Herz schlug bang, ins Antlitz Glut ihr trat:

Und mild war ihrer Stimme Klang, als streng sie Frage tat:


»Und welch' Verdienst so überreich die Zuversicht Euch schafft?«

»Des Weibes voller Schöne gleich wiegt volle Manneskraft.«
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Er sprach's und warf den Handschuh hin den Freiern allzumal:

»Wer glaubt, daß ich's nicht würdig bin, bestreit' es mit dem Stahl!«


Da vor allen aus dem Ritterkreis hob sie den Handschuh auf:

Ihr Auge blickte zu ihm leis und schön wie nie hinauf.


Sie setzte die Grafenkrone still wohl auf sein hohes Haupt:

»Gern Euer Weib ich werden will, wenn Ihr mich würdig glaubt.« –


Im Falkenschloß beim blauen Rhein saß eine stolze Maid:

Die hat der Graf von Lützelstein an einem Tag gefreit.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 354-356.
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