Maria von Burgund

[358] Volksliederweise.


Es ritten drei Reiter hinein ins Burgund,

Zerschlissen die Mäntel, die Rößlein wund.


Das einzige Gold, das sie führten, war

Unterm Hute des Jüngsten das lockige Haar.


Sie hielten vor Gent auf grünem Plan

Und der Jüngste rief zu den Zinnen hinan:


»Gott grüß' Euch, Herr Herzog, wir bitten um Gab',

Wir kommen von ferne: vom heiligen Grab.


Seht: – Muscheln am Hut und den Stab in der Hand,

Ich suche ein gütiges Herz hier im Land.«


Da brummte der Burgherr: »Sucht anderes Fach!

Und kommt ihr je wieder, – die Rüden sind wach.«
[358]

Da schmollte die Burgfrau: »Fort! Dies mein Empfang!

Eure Beutel zu kurz, eure Finger zu lang.«


Da höhnte der Junker: »Vom heiligen Grab?

Vom heiligen Galgen wohl stiegt ihr herab!«


Doch Maria, das Fräulein, ward bleich und ward rot,

Und dem Jüngsten ein silbernes Ringlein sie bot.


»O bleibet! Euch trau' ich, wie dürftig Ihr seid,

Manch' goldenes Herz deckt zerschlissenes Kleid.


Nicht glaub' ich dem Kleid, noch dem Muschelhut: –

Ich glaube dem Auge, – das blickt so gut.«


Da – fort warf der Jüngste sein Bettelgewand

Und schimmernd in Scharlach und Seiden er stand:


»Gott segne, Maria, dein Wort und dein Herz:

Der Ernst ist ein König, der Bettler war Scherz.


Denn ich bin Maximilian, König von Rom,

Schon harrt mit den Ringen der Bischof im Dom.«

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 358-359.
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