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[388] Das war Sir Roger de Montremy, zog singend durch die Gauen
Und wo er kam, da lächelten sie, wo er schied, da fluchten die Frauen.
Denn er trug an seiner linken Hand einen Ring von rotem Achate,
Den gab ihm einst aus Feenland Claribelle, seine Pate.
Und drehte das Gold er am Finger sacht, so zuckte sie, die er erkoren,
Und drückte er an den Stein mit Macht, – war mit Seel' und Leib sie verloren.
Und es konnte zur Rache kein Eh'gemahl, kein tapferer Bruder taugen,
Denn die Männer sanken vor seinem Stahl wie die Frauen vor seinen Augen.
[388]
So ging er durch Frankreich und Burgund nach England über die Wogen.
Heut war sein übermütiger Mund von unbändigem Stolz umzogen.
Denn die schöne Königin Eleanor, das begehrteste Weib auf Erden,
Nach Teviot-Hall ihn heut nacht beschwor, da sollte viel Glück ihm werden.
Sie hatte geschrieben: »Sir Montremy, o komm, es gilt mein Leben,
Ich will die Bretagne, die Normandie und mich selber will ich dir geben.«
Und Sir Roger ritt im Abendlicht, wo des Teviot Fluten rauschen:
Sein Stolz war groß: – er wollt' jetzt nicht mit Gott im Himmel tauschen.
Und als er kam, wo die Fähren sind, die Wandrer überzufahren,
Da saß am Steg das Schifferkind von noch nicht siebzehn Jahren –
Ein blaues Röcklein – ein Hemdchen weiß, drauf zwei gelbe Zöpfe fielen,
Über die nackten Zehen leis ließ sie rinnend die Wellen spielen. –
Er stieg vom Roß, er rief sie an – ihr Blick hat ihn getroffen,
Ein einziger Blick: – da faßt' es ihn an, als säh' er den Himmel offen.
[389]
Und es kam wie Tau nach Sonnenbrand ihm über die Seele gezogen
Und er streifte den Ring von der linken Hand, warf weit ihn weg in die Wogen.
Und er sank vor dem Kind verstummt aufs Knie, in den Schoß hat sein Haupt sie genommen: –
Seither hat von Roger de Montremy kein Mensch mehr Kunde bekommen.
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