An Kaiser Wilhelm I

[616] Nicht wie ein Herrscher unsrer Tage

Steht Kaiser Wilhelm in der Welt:

Nein, wie ein Bild der alten Sage:

Ein Friedens- wie ein Schlachtenheld!


Ihm gab der Schiedwalt des Gefechtes,

Gott Odhin selbst, das Zauberschwert,

Das, wenn gezückt zum Schutz des Rechtes,

Nie sieglos in die Scheide kehrt.


Doch nach dem Kampf streut er den Segen

Des Friedens aus der milden Hand

Und schirmt mit ehrnen Schildgehegen

Die Marken dem bedrohten Land.


Nicht Lorbeer nur und Laub der Eichen

Schmückt dieses Greises Schwert und Thron:

Wie Efeuflüstern hör' ich streichen

Um ihn die Heldensage schon.


Wohl hat gar oft den heil'gen Namen

Des »Vaters« Schmeichelwort entweiht,

Damit gefüllt den Flitterrahmen

Verdienstebarer Fürstlichkeit: –
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Doch unsrer Wohlfahrt weisen Rater,

Den Herzog deutscher Waffenfahrt: –

Ein dankbar Volk nennt seinen Vater

Dich, Kaiser Wilhelm Silberbart!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 616-617.
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