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[113] Schon wieder aufrecht stand die Flamm' und, weil sie
Nicht weiter sprach, nun ruhig, und entlassen
Vom süßen Dichter, eilte sie von hinnen,
Als eine zweite, hinter jener folgend,
Durch einen wirren Ton, der von ihr ausging,
Auf ihren Gipfel unsre Blicke lenkte.
Sowie Siziliens Stier der, wohlverdient,[113]
Zum erstenmal von dessen Wehruf brüllte,
Der ihn gestaltete durch seine Feile,
Wie dieser Stier in des Gequälten Stimme,
Obwohl von Kupfer, doch nicht anders brüllte,
Als ob von Schmerzen er gemartert würde,
So wandelten sich die betrübten Worte,
Die aus dem Ursprung tief im Feuer Ausgang
Und Weg nicht fanden, in des Schattens Sprache.
Doch, als sie oben, durch der Flamme Spitze
Den rechten Pfad gewählt und ihr die Regung
Erteilt, die von der Zunge sie erhalten,
Vernahmen wir: O du, an den die Rede
Ich richt', und der vorhin Lombardisch sprach
Und sagte: Geh', ich halte dich nicht länger,
Verschmähe nicht, weil später ich gekommen,
Hier mit mir redend etwas zu verweilen;
Verschmäh', doch ich es nicht, obwohl ich brenne.
Bist du erst jüngst in diese blinde Welt
Gestürzt aus der Lateiner süßem Lande,
Aus dem was ich gesündigt alles kommt,
So sag' ob Krieg, ob Fried' ist in Romagna.
Denn dem Gebirg' entstammt' ich nächst Urbino
Und jenem Joch, von dem die Tiber ausgeht. –
Geneigt nach unten stand ich noch und horchte;
Da stieß die Seite leise mir der Meister
Und sagte: Rede du, der ist Lateiner. –
Ich aber, der bereit die Antwort hatte,
Begann nun ohne Säumen so zu reden:
O Seele, die verhüllt dort unten weilet,
In seiner Zwingherrn Brust war dein Romagna
Von Kriege nimmer frei und ist's auch jetzt nicht,
Doch keinen offenbaren ließ ich dort.
Noch ist Ravenna, wie es war seit Jahren:
Es hauset dort der Aar der Polentaner,
So daß er Cervia deckt mit seinen Schwingen.
Der Ort, der einst so lange standgehalten[114]
Und der Franzosen Leichen blutig türmte,
Ist noch den grünen Tatzen unterworfen.
Verrucchio's alter Hund, sowie der neue,
Die übel mit Montagna umgesprungen,
Sie hau'n die Zähne ein wo sie gewohnt sind.
Der kleine Löwe in dem weißen Neste,
Der die Partei vom Sommer tauscht zum Winter,
Lenkt des Lamone Stadt und des Santerno.
Und jen', an deren Flanke spült der Savio,
Weilt zwischen Tyrannei und freiem Wesen,
So wie sie zwischen Berg und Ebne liegt.
Nun aber bitt' ich, wer du sei'st, bericht' uns.
Sei härter nicht, als wie die andren waren,
Soll lange in der Welt dein Name dauern. –
Nachdem zuvor das Feuer eine Weile
Nach seiner Art gebrüllt, regt' es die Spitze
Hierhin und dorthin, und dann haucht' es also:
Glaubt' ich, daß meine Antwort wer vernähme,
Der je zur Oberwelt zurückgelangte,
So bliebe unbeweglich diese Flamme.
Weil aber, ist, was man sagte, richtig,
Lebendig niemand diesem Schlund' entstiegen,
Kann ohne Furcht der Schmach ich Antwort geben.
Ich war ein Kriegsmann, nahm dann Strick und Kutte
Und dachte Buß' in diesem Kleid zu tun;
Und was ich glaubte, Wahrheit wär's geworden,
War nicht der große Pfaff, den Unheil treffe,
Der mich zurückzog in die alten Sünden;
Wie und warum sollst du nun von mir hören.
Solang ich Form des Fleisch's und der Gebeine
Noch war, die mir verlieh'n die Mutter, hatten
Nicht Löwen- sondern Fuchsart meine Taten.
Mit allen Listen und verdeckten Wegen
War ich bekannt und übte so geschickt sie,
Daß bis an's End der Welt davon erzählt ward.
Als zu dem Lebensalter ich gediehn war,[115]
Wo einzuziehn die Taue, und die Segel
Herabzulassen jeglichem geziemt,
Beklagt' ich was zuvor erfreut mich hatte,
Und beichtete reumütig meine Sünden;
Und, wehe mir! es hätte mir gefruchtet!
Allein der Fürst der neuen Pharisäer,
Als Krieg er führte dort beim Lateran,
Und nicht mit Sarazenen oder Juden
(Denn Christen waren seine Feinde sämtlich,
Und keiner war bei Akkons Fall beteiligt,
Noch Kaufmann in des Sultans Land gewesen)
Mißachtet' er in sich sein höchstes Amt
Und seine heil'gen Weih'n, an mir den Strick,
Der magrer sonst, die die ihn tragen, machte.
Wie Konstantin aus des Soracte's Wildnis
Sylvester rief, den Aussatz ihm zu heilen,
So rief auch dieser mich, daß ich ein Arzt ihm
Zur Heilung seines Hochmutsfiebers würde
Er frug um meinen Rat; ich aber schwieg,
Denn seine Worte achtet' ich für trunken.
Dann sagt' er: Fürchte nicht in deinem Herzen,
Ich spreche dich im voraus los; doch lehre
Mich, wie ich Palästina niederwerfe.
Den Himmel kann so lösen ich als binden,
Wie du wohl weißt, darum sind zwei der Schlüssel,
Die mein Vorgänger nicht zu schätzen wußte. –
Bestimmt ward ich von den gewicht'gen Gründen,
Die mir als schlimmstes Teil das Schweigen wiesen,
Und sagte: Vater, da du von der Sünde,
In die ich fallen soll, mich also rein wäschst,
Wird viel versprechen und nur wenig halten
Im hohen Sitze dir Triumph verleihn. –
Als ich dann tot war, kam um meinetwillen
Der heil'ge Franz; jedoch ein schwarzer Cherub
Rief aus: Laß ab von ihm, tu mir kein Unrecht!
Herab zu meinen Knechten muß er kommen,[116]
Weil den betrügerischen Rat er gab,
Seit welchem meine Hand am Schopf ihn festhielt.
Lossprechen kann man den nur, der bereut,
Und sünd'gen und bereu'n geht nicht zusammen
Des Widerspruches wegen, der's nicht zuläßt. –
O weh mir Armen, wie entsetzt' ich mich,
Als er mich packt' und rief: Du dachtest
Wohl nicht, daß ich auf Logik mich verstünde? –
Zu Minos bracht' er mich, und der umwandte
Den harten Rücken achtmal mit dem Schweife
Und biß vor großer Wut dann noch hinein.
Der, sagt' er, kommt zum räuberischen Feuer! –
Drum bin ich da, wo du mich siehst verloren
Und wandle jammervoll in solchem Kleide.
Als seine Rede also er beendet,
Verließ die Flamm' uns unter Schmerzenslauten,
Indem ihr spitzes Horn sie dreht' und regte.
Dann gingen wir, ich und mein Führer, weiter
Den Felsen hin bis zu dem andren Bogen,
Der ob dem Tal sich wölbt, in dem die Buße
Die zahlen, die durch Spaltung sich belasten.
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