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[254] Wie wenn sie ihre ersten Strahlen dorthin
Entsendet, wo sein Blut vergoß ihr Schöpfer,
Indem die Wage überm Ebro steht
Und Mittagsglut erhitzt des Ganges Welle,
So stand die Sonne und es ging zu Ende
Der Tag, als uns erschien der Engel Gottes.
Am Ufer stand er außerhalb der Flamme
Und: Selig sind, die reines Herzens – sang er
Viel hellren Tones, als der Menschen Stimme.
Dann, als wir näher ihm gekommen, sagt' er:
Bis euch das Feuer brannt', ihr heil'gen Seelen,
Dürft ihr nicht weiter; geht denn in die Flammen
Und schließt dort drüben dem Gesang' eu'r Ohr nicht. –
Als ich dies Wort vernahm, ward ich an Blässe
Dem Manne gleich, der lebend ward begraben.
Und in die Flamme blickend, dacht' ich lebhaft
Der Menschenleiber, die ich brennen sah,
Und bog mich vorwärts mit verschränkten Händen.
Die gütigen Gefährten wandten beide
Sich zu mir, und es sprach Virgil: Mein Sohn,
Hier kann es Qualen, aber Tod nicht gelten.
Gedenke, o gedenk' ... und wenn vor Schaden
Ich auf dem Rücken Geryon's dich schützte,
Was werd' ich tun, Gott um so vieles näher.
Vertraue mir, daß, wenn du auch im Schoße
Von dieser Flamme tausend Jahre weiltest,
Sie doch dir nicht ein Härlein rauben könnte.
Und glaubtest du vielleicht, daß ich dich täusche,
So tritt heran und deines Kleides Saum
Belehrt dich, hältst du ihn in dieses Feuer.
Laß fahren denn jedwede Furcht und wende[255]
Dich hierher, schreite zuversichtlich vorwärts. –
Doch ich blieb stehn, unfolgsam dem Gewissen.
Als er mich also stehn sah unbeweglich,
Sprach er, etwas erzürnt: Nun denn, mein Sohn,
Von Beatrice trennt dich diese Mauer. –
Wie, sterbend, Pyramus bei Thisbe's Namen
Die Augen aufschlug, um sie anzublicken,
Als rot des Maulbeerbaumes Frucht sich färbte,
So wandte ich, mit nun erweichtem Trotze,
Mich zu dem süßen Führer bei dem Namen,
Der unablässig sprießt in meiner Seele.
Dann schüttelt' er die Stirn und sprach: Was meinst du
Ob wir nicht bleiben? – und dann lächelt' er
Wie, wenn ein Kind der Apfel zwang, man tut.
Drauf trat er vor mir in die Feuersgluten
Und hinter mir zu gehen bat er Statius,
Der uns getrennt den langen Weg her hatte.
In siedend Glas hätt' ich mich, als dort innen
Ich war geworfen um mich abzukühlen,
So über alles Maß war dort die Hitze.
Mein süßer Vater sprach zu mir im Gehen,
Mir Mut zu geben, nur von Beatrice
Und sagt': Ihr Auge schon zu sehen däucht mir. –
Und ein Gesang, von jenseits zu uns tönend,
Geleitet' uns, und auf ihn merkend traten
Wir aus den Flammen da, wo man emporsteigt.
»Kommt zu mir, die mein Vater hat gesegnet!«
Erscholl aus einem Licht von solchem Glanze,
Daß, überwältigt, ich's nicht anschaun konnte.
Die Sonne sinkt, so sprach die Stimme weiter,
Der Abend kommt, beschleunigt drum die Schritte,
Bevor im Westen dunkel wird der Himmel. –
Grad' aufwärts stieg der Weg durch das Gestein
In solcher Richtung, daß der Sonne Strahlen,
Die schon tief unten stand, ich vor mir deckte.
Erst wenig Stufen hatten wir erprobt,[256]
Als ich und meine Weisen, weil mein Schatten
Verlosch, den Untergang der Sonne spürten.
Und ehe noch in all den weiten Räumen
Gleichfarbig war der Horizont geworden
Und eh die Nacht sich ganz verbreitet, hatte
Sich jeder eine Stuf' als Bett erkoren;
Denn die Beschaffenheit des Berges raubte
Uns nicht die Lust, jedoch die Kraft zum Steigen.
Wie wenn zur Zeit der ärgsten Sonnengluten
Die Ziegen, die, bevor sie sich gesättigt,
Keck und behende um die Gipfel klimmten,
Schweigsam und zahm im Schatten wiederkäuen,
Indes der Hirt, auf seinen Stab gelehnt,
Sie hütet, ihnen Sicherheit verheißend,
Und wie der Schäfer, wenn er draußen herbergt,
Bei seiner Herde ruhig übernachtet,
Acht habend, daß kein Raubtier sie zerstreue:
So waren wir selbdritt zu jener Stunde,
Den Hirten sie, der Zieg' ich zu vergleichen,
Vom Felsen eingeengt zu beiden Seiten.
Von dem was draußen war, sah dort man wenig;
Doch an dem Wenigen sah ich viel heller
Und größer als ich sonst gewöhnt die Sterne.
In solchem Sinnen und im Schaun auf jene
Befiel mich Schlaf, der Schlaf, der manchesmal
Von Dingen Kunde hat noch eh sie kamen.
Zur Stunde, dünkt mich, wo vom Morgenhimmel
Den Berg zuerst Cytherens Stern bestrahlte,
Der stets zu glühen scheint im Liebesfeuer,
Glaubt' ich ein junges, schönes Weib im Traume
Zu sehen, die auf einer Aue wandelnd
Sich Blumen brach und singend also sagte:
Wer meinen Namen wissen will, vernehme,
Ich heiße Lea, meine schönen Hände
Beweg' ich um mir einen Kranz zu winden.
Um mir im Spiegel zu gefallen, schmück' ich[257]
Mich hier; doch Schwester Rahel kehrt von ihrem,
Vor dem sie immer sitzt, die Blicke nie.
Sie sieht so gern in ihre schönen Augen,
Als ich mich gerne mit den Händen schmücke;
Sie freut am Schauen sich, wie ich am Wirken. –
Es floh schon vor dem Glanz der Morgenfrühe,
Den, wenn der Pilger heimkehrt, um so lieber
Er kommen sieht, je ferner er genächtigt,
Die Finsternis der Nacht in jeder Richtung.
Mit ihr entfloh mein Schlaf und ich erhob mich,
Da ich schon aufrecht sah die großen Meister.
Die süße Frucht, nach der auf so viel Zweigen
Der Menschen Sorge ausschaut, soll noch heute
Befriedigung all deinem Hunger geben. –
In diesen Worten sprach Virgil zu mir,
Und nimmer ward noch ein Geschenk gegeben,
Das Freude, diesem gleich verursacht hätte.
Und so verdoppelte sich mein Verlangen
Hinaufzukommen, daß bei jedem Schritte
Zum Flug' ich mir die Schwingen wachsen fühlte.
Als wir durchmessen nun die ganze Treppe
Und auf der obersten der Stufen standen,
Da richtete Virgil auf mich die Blicke
Und sprach: Das ew'ge und das zeit'ge Feuer,
Mein Sohn, hast du gesehn, und bist nun dorthin
Gelangt, wo mein Blick nicht mehr weiter reicht.
Mit Kunst und Weisheit führt' ich dich hierher;
Fortan nimm dein Gefallen nur zum Führer,
Nicht steile Pfade triffst du mehr noch enge.
Sieh dort die Sonne dir in's Antlitz scheinen,
Die Kräuter sieh, die Blumen und die Sträucher,
Die hier der Boden aus sich selbst erzeuget.
Hier unter ihnen ausruhn, oder wandeln
Darfst du, bis freudig dir die schönen Augen
Erscheinen, die mich weinend zu dir sandten.
Nicht harre meines Wink's noch meiner Rede,[258]
Jetzt ist dein Wille frei, gesund und richtig;
Ihm nicht zu folgen wäre fehlerhaft,
Drum geb' ich über dich dir Kron' und Mitra.
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