Frei über der Brüder Gleichmaß und Joch

[272] Das Walddach steht glatt wie mit Sensen geschnitten,

Als sei ein Mäher hoch über die Wipfel geschritten.

Nur eine einzige Eiche höher als die andern ragt,

Wie ein Kopf, an den sich das Messer nicht gewagt.

Der streckt sich sehend in den Abend hoch,

Frei über der Brüder Gleichmaß und Joch.

Und selbst der Blitz darf ihm am Stamm hinschaben,

Als können ihm die tödlichsten Feuer nichts anhaben,

Solange alljährlich die Frühlingslust noch umarmt den Riesenknaben.


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 272.
Lizenz:
Kategorien: