Und es erschienen alle Rosen vor der Tür nach einer Nacht

[274] Und es erschienen alle Rosen vor der Tür nach einer Nacht,

Es hat sie ein Gedanke, ein einziger von dir, zur Welt gebracht,

Du fragtest nicht, hast lässig nur ihn vor dir hingedacht.

Du hattest übermütig Sehnsucht nach der Rose Lust und Götterpracht,

Schwerblütig sind dir alle purpurnen und königlichen Knospen unbewußt erwacht.

Sie füllen Reihen kleiner Bäume vor der Tür und sind rund aufgequollen,

Als ob sie wie beglückte Lippen heimliche Kosenamen nennen wollen,[274]

Anbetend sitzen sie vor deinem Zimmer, so wie ein still verliebter Schwarm.

O, öffne, immer wie für deine Rosen, für meine Inbrunst deinen Arm.


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Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 274-275.
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