Die Dächer im Julitag brüten

[163] Der Sonntag der kug'ligen Linden,

Der hat jetzt abgeblüht,

Sie stehen so still und empfinden

Den Montag in ihrem Gemüt.

Die Dächer im Julitag brüten,

Behüten die Menschen und Ställe.

Die Tauben, die fliegenden Fächer,

Sie flattern zur Brut in die Zelle.
[163]

Der Abend, wie dunkle Ratten,

Kommt ohne Laut und Rauschen,

Er stiehlt dir den Freund, deinen Schatten,

Und macht dich argwöhnisch lauschen.

So zwang der Juli die Halm'

Auf jeder Wiese zu Heu,

Vom verliebtesten Frühlingsqualm

Bleibt noch der Duft dir treu.


Quelle:
Max Dauthendey: Gesammelte Werke in 6 Bänden, Band 4: Lyrik und kleinere Versdichtungen, München 1925, S. 163-164.
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