|
[91] Arbeiten auf dem Schiffe und an seiner Wohnung.
Ehe ich weiter fortfahre, muß ich bemerken, daß, nachdem meine ersten Einrichtungen getroffen waren, ich ein Tagebuch von allen Vorfällen hielt, die mir seit dem Tage meines Schiffbruches begegnet waren. Ich setzte selbiges so lange fort, als meine Tinte dauerte. Um nun eine Sache nicht zweimal zu erzählen, rücke ich hier einen Auszug aus diesem Tagebuch ein, und werde dann das Uebrige aus dem Gedächtnisse nachholen.
2. Oktober 1659. Ich wachte neu gestärkt auf, frühstückte etwas Zwieback und Rum, überlegte dabei, daß mein Aufenthalt auf dieser Insel wahrscheinlich von langer Dauer seyn werde, hielt es für klug, dem Mangel so weit hinaus als möglich vorzubeugen, und daß ich aus dem Schiffe noch eine Menge nützlicher Dinge erhalten könnte, beschloß daher, nichts anderes vorzunehmen, bis ich alles, was aus dem Wrack zu haben wäre, heraus und an das Land gebracht hätte, weil der erste einbrechende Sturm das Schiff nothwendig zertrümmern würde. Ferner gieng ich mit mir selbst zu[91] Rathe, ob ich mit dem Floß wieder zum Schiffe fahren oder dahin schwimmen sollte. Letzteres schien mir besser, ich entkleidete mich in meiner Hütte, und behielt nur meine langen Beinkleider an, schwamm dann bei niedrigem Wasser zum Schiffe, machte einen andern Floß, aber durch Erfahrung und Furcht geleitet, machte ich ihn weniger unbehülflich, und überlud ihn nicht so, wie das erstemal. In des Zimmermanns Vorrath fand ich mehrere Säcke mit Nägeln und Schrauben von allerlei Größe, ein paar Dutzend Beile und Aexte und, was ich vorzüglich schätzte, einen Schleifstein. Aus des Konstabels Vorrath nahm ich einige Hebeisen, zehn Musketen und noch eine Vogelflinte, ein volles Pulferhorn, einen großen Beutel mit Vogelschroot, zwei Fäßchen mit Musketenkugeln; eine große Rolle dünngeschlagenes Blei, die mir aber für jetzt zu schwer und nicht so nöthig war, als eine Hangmatte mit Bettzeug, ließ ich an Bord, nahm diese und alle Kleidungsstücke, die ich nur finden konnte, und ein vorräthiges Vormarssegel, um mir ein Zelt zu machen. Mit dieser Ladung kam ich zu meiner großen Freude glücklich an's Land.
Während meiner Abwesenheit war ich nicht ohne Besorgniß, meine Lebensmittel möchten aufgezehrt worden seyn, fand aber bei meiner Zurückkunft kein Merkmal eines fremden Gastes, ausser daß eine Art wilder Katze auf einer Kiste saß, bei meiner Annäherung herabsprang, einige Schritte davon ruhig und unbesorgt sitzen blieb, und mir steif in's Gesicht sah, als ob sie Luft hätte, mit mir bekannt zu werden; ich zielte mit[92] der Flinte nach ihr, das bekümmerte sie aber gar nicht, weil sie damit unbekannt war; ich warf ihr ein Stückchen Zwieback zu, auf den sie zugieng, ihn beroch, verzehrte, und dann näher kam, um noch mehr zu erhalten; da aber mein Vorrath klein war, so fand ich nicht für gut mehr zu geben, und als sie das merkte, lief sie davon.
Das erste, was ich nun vornahm, war, mit dem mitgebrachten Segel und Rundholz ein Zelt zu errichten, und alles, was durch Sonne und Regen Schaden leiden könnte, in selbiges zu bringen. Die leeren Kisten stellte ich um das Zelt herum, um es vor jedem Anfall von Menschen und Thieren zu sichern und vermachte den Eingang mit Brettern, vor welche ich auswendig eine umgekehrte Kiste aufstellte. Hierauf bereitete ich mein Bett auf die Erde, legte meine geladene Flinte und zwei Pistolen neben mich, und schlief zum erstenmal wieder, nach gewohnter Bequemlichkeit, sanft und ruhig bis an den Morgen.
3. Oktober. Heute schwamm ich wieder an Bord, machte einen neuen Floß und zwar nicht ohne große Schwierigkeit, weil ich aus Unbedachtsamkeit die Werkzeuge und Materialien meistens an's Land gebracht hatte; doch fand ich noch von beiden genug, um mir zu helfen, und nahm diesmal soviel Taue, dünne Stricke und Bindfaden, als ich finden konnte, ferner alle Segel vom größten bis zum kleinsten, nebst einem Stück Kannevas zum Ausbessern derselben mit; ich bedauerte nur, daß ich die größern Segel in Stücken zerschneiden mußte, um sie auf den Floß bringen zu können, sie konnten[93] mir daher nicht mehr zu Segeln, sondern bloß als grobe Leinwand dienen.
4.-23. Oktober. Diese Zeit über war viel Regen, doch mitunter auch einzelne schöne Tage, die ich benutzte an Bord zu gehen; allein der Mangel an Holz auf dem Schiffe und besonders die täglich um drei Viertelstunden später eintretende Ebbe nöthigten mich, mit dem Floß dahin zu fahren, weil ich sonst nicht Zeit zur Verfertigung und Beladung eines neuen gehabt hätte. Was mir das größte Vergnügen machte, war die Entdeckung von einer Tonne voll Brod, drei großer Fässer mit Rum oder Branntewein, eines Tönnchens feinen Mehls und einer Büchse voll des schönsten Zuckers. Dies kam mir ganz unerwartet, weil ich auf dieser sechsten Reise nichts mehr von Belang und sonderlich keine Lebensmittel zu finden glaubte. Ich brachte alles auf den Floß, und mußte die Brodtonne leeren, weil sie mir zu groß und schwer war, stellte sie dann auf den Floß zurechte, füllte sie wieder zu und bedeckte sie. Auch auf der zehnten Hinfahrt hatte ich ein ähnliches Glück. Ich glaubte die Kajüte genau durchsucht zu haben, und nichts finden zu können, und doch fand ich noch ein Kästchen mit mehrern Schubladen und darin ein halb Dutzend Scheermesser, ein Dutzend Messer, Gabeln und Löffel, eine große und zwei kleine Scheeren, Nadeln von allerlei Größe, groben und feinen Zwirn und endlich verschiedenes Gold- und Silbergeld, ungefähr 50 Pfund Sterling an Werth, bei dessen Anblick ich mich eines spöttischen Lächelns und des Ausrufs nicht enthalten konnte: »O du unnützes[94] Zeug! wie sehr empfinde ich jetzt, daß du nicht Bedürfniß, sondern nur Zeichen desselben bist. Ein Stück Eisen ist mir hier mehr werth, als eine ganze Schiffsladung von Gold und Silber. Du verdienst nicht, daß ich dich von der Erde aufhebe und mitnehme; bleibe wo du bist oder versinke ins Meer.« Mit diesen Worten schwang ich den Arm; – doch besann ich mich eines Bessern, wickelte den Fund in ein Stück Segeltuch und steckte ihn zu mir, in der Hoffnung, einst wieder in die menschliche Gesellschaft zurückzukehren, wo Geld das unentbehrlichste Bedürfniß ist.
24. Oktober. Ich hatte nun das Schiff bereits von Allem, was mir nützlich seyn und ich fortbringen konnte, entblößt, und sogar die Ankertaue und Kabeln in Stücke gehauen, alle Stangen und Raaen gestrichen und entzwei gesägt, alles Eisenwerk und einen guten Theil der Deckplanken abgerissen, und in verschiedenen Frachten an's Land gebracht. Gerne hätte ich auch die Kanonen mitgenommen, sie waren aber so schwer und unbehülflich, daß ich sie nicht fortbringen konnte, und mich mit einem Theil des eisernen Beschlägs begnügen mußte. Für heute hatte ich noch eine sehr beträchtliche Ladung, und während ich sie auf dem Floß stauete, bemerkte ich, daß der Himmel stark bewölkt und der Wind stürmischer ward. Da ich nun befürchtete, der Sturm möchte das Schiff zu Grunde richten, so ließ ich nichts zurück, sondern nahm auch die beiden Katzen mit, die sich bisher mit Mäusen erhalten hatten, und stieß vom Schiffe ab; allein Fluth und Wind waren so stark, und mein Floß war so überladen, daß[95] derselbe, als ich an meinen Ankerplatz fahren wollte, heftig anstieß und umschlug, und ich nebst meiner ganzen Fracht in's Wasser fiel. Ich schwamm an's nahe Land, in der Hoffnung, bei der Ebbezeit von den versenkten Sachen noch vieles, besonders das Eisenwerk, zu retten, von dem ich mir großen Nutzen versprach. Noch vor Abend tobte ein völliger Sturm. Doch ich war da schon in meinem Zelt, wo ich, mit allen meinen Reichthümern umgeben, ganz sicher lag.
25. Oktober. Der Sturm wüthete die ganze Nacht hindurch mit der größten Heftigkeit, und hatte das Schiff zertrümmert und versenkt. Als ich mich des Morgens nach demselben umsah, war es verschwunden, und nur bei der tiefsten Ebbe war noch ein wenig von dem Wrack zu sehen. Ich war wohl etwas bestürzt; doch tröstete mich die Betrachtung, daß ich keine Zeit verloren, keine Anstrengung gescheut hatte, alles was mir dienen konnte, zu retten. Ich schlug mir also das Schiff ganz aus den Gedanken, und richtete sie einzig und allein darauf, mich vor Hitze, Nässe und Stürmen, vor wilden Menschen und Thieren in Sicherheit zu setzen. Mein gegenwärtiger Aufenthalt, den ich bloß gewählt hatte, um dem Wrack nahe zu seyn, befand sich auf einem feuchten, morastigen Boden, hatte kein frisches Wasser in der Nähe, war den Sonnenstrahlen und Stürmen von allen Seiten ausgesetzt, und vereinigte mit einem Worte alles, was der Gesundheit, der Bequemlichkeit und Sicherheit zuwider war; ich mußte also durchaus eine bessere Wohnstelle suchen.
26. Oktober. Heute war der Himmel heiter, ein[96] wahrer Frühlingstag. Die Regenzeit schien mit dem nächtlichen Sturme ihr Ende erreicht zu haben; zwar war der Morgen noch trübe, aber gegen 10 Uhr klärte das Wetter sich auf. Bei der Ebbezeit fand ich meine versenkte Ladung größtentheils auf dem Trockenen, und brachte sie an das Land; auch die Katzen hatten selbiges glücklich erreicht. Ich nahm daher meine Flinte, und gieng dem Berge zu, den ich schon einmal bestiegen hatte, um einen neuen Wohnplatz zu suchen, und fand gegen Abend, was ich wünschte. Ein Hügel, dessen Seite eine hohe, senkrechte Felsenwand bildete, machte es Menschen und Thieren unmöglich, von seinem Gipfel herabzusteigen, und deckte vor den brennenden Sonnenstrahlen; eine nordwestlich, den kühlen Winden offen liegende grasreiche Ebene, die sich längs dem Felsen hundert Schritte hinzog, fünfzig breit war, senkte sich wie ein grüner Blumenteppich auf allen Seiten sanft gegen die niedere Gegend regelmäßig hinab, und hatte von Nordost bis Südost eine ausgedehnte Aussicht auf das Meer, so daß ich jedes Fahrzeug, das in diese Gewässer käme, entdecken und zu meiner Erlösung aus dieser Einöde benutzen konnte. Am Fuße der Felswand war, ungefähr in der Mitte, eine Wölbung, wie der Eingang einer Höhle, aber ohne Tiefe. Vor derselben wählte ich meine Wohnstelle, und nahm sie zum Mittelpunkt eines Halbkreises, den ich sogleich zog, und mit Zweigen absteckte. Zwanzig Schritte rechter Hand sprudelte eine frische Quelle zwischen den Felsenritzen hervor, wässerte einen Theil der kleinen Wiese, und schlängelte dem Seestrande zu, der ungefähr 2 Meilen entfernt war.[97]
27. Oktober. Heute war ich beschäftigt, gerade vor der Vertiefung im Felsen ein geräumiges Zelt aufzuschlagen, und nachher Alles dahin zu tragen, was mir am unentbehrlichsten war, obschon der Weg vom Ufer des Flusses bis zu meinem neuen Wohnort eine halbe Meile betrug, denn ich arbeitete aus allen Kräften, und schlug auch einige starke Pfähle in die Erde, um die Hängmatte daran aufzuhängen, die dem Schiffer zugehört hatte, und in der That sehr gut war. Ich schlief diese Nacht das erstemal in meinem neuen Lager, und zwar, durch Arbeit und Hin- und Herlaufen ermüdet, ganz vortrefflich.
28.-31. Oktober. In diesen Tagen war ich keinen Augenblick müßig, und that nichts anderes, als daß ich meine Güter in meine neue Wohnung trug. Die Kisten und Bretter stellte ich wieder um mein Zelt her, wodurch es mehr Festigkeit erhielt, und mir statt einer Einzäunung gegen wilde Menschen und Thiere diente. Auch war ich auf diese Art in der Mitte meiner Habseligkeiten, die ich alle bequem und nahe an der Hand hatte. Nur die Ankertaue, das schwere Holz und Eisenwerk und was sonst nicht Gefahr lief, durch Nässe oder Thiere beschädigt oder weggetragen zu werden, ließ ich im Zelt am Ufer stehen. Als ich den letzen Tag mit diesen Arbeiten fertig war, bis um Schlafengehen ausruhete und etwas Speise genoß, fiel mir ein, daß es sehr vorteilhaft seyn würde, meine Zeit ordentlich einzutheilen. Wenn es nicht regnete, wollte ich frühe in der Morgenkühle ein paar Stunden herumgehen, um etwas für meinen Unterhalt zu schießen, und das[98] Land kennen zu lernen. Nach diesem wollte ich bis 10 oder 11 Uhr arbeiten, um diese Zeit meine Mahlzeit halten, dann während der Tageshitze bis 3 Uhr schlafen, und endlich wieder bis zur Abenddämmerung arbeiten.
1. November. Ich machte heute mit der neuen Ordnung den Anfang, nahm meine Flinte und gieng dem Walde zu, der eine halbe Meile vor mir sich längs her Bergkette hinzog. Ich schoß zwei Vögel, die den Enten glichen und sehr gut zu essen waren. Ich nahm meinen Rückweg bei meinem Ankerplatz vorbei, und brachte meinen Kalender zu meiner neuen Wohnung, wo ich ihn an der Felsenwand rechts neben der Höhlung aufrichtete. Gleich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes auf dieser Insel fiel mir ein, daß ich meine Zeitrechnung verlieren würde, wenn ich die Tage nicht bemerkte; ich steckte also ein abgesägtes Stück von einer mitgebrachten Bramraa stehend in die Erde, nagelte ein Brett kreuzweise darauf fest, und schnitt mit dem Messer die Worte: – Ich kam den 30. September 1659 auf diese Insel – mit großen Buchstaben ein. Darunter zog ich untereinander, von einem Ende zum andern, in der Weite von zwei Zoll, eingekerbte Linien, fieng dann links auf der obersten Linie an, jeden Tag eine zolllange Kerbe einzuschneiden, am siebenten Tag eine längere, und jeden ersten Monatstag eine noch längere, die über die Standlinie herabgieng. Auf diese Art hielt ich meine Zeitrechnung.
2. November. Heute fieng ich meinen Zaun oder Mauer an, und es ist unglaublich, welche unsägliche Mühe und Arbeit mir dieser Bau verursachte. Besonders[99] die Pfähle im Walde zu hauen, zu bezimmern und noch mehr, sie nach Hause zu tragen und einzurammen, wo ich oft einen ganzen Tag auf zwei Pfähle verwenden mußte; denn aus Furcht vor einem Angriffe machte ich sie viel dicker als ich nöthig gehabt hätte, so daß ich sie kaum aufheben konnte. Es ist genug, zu bemerken, daß ich nicht weniger Zeit als von heute bis zum 14. April des nächsten Jahrs zubrachte, dieses Pfahlwerk zu beendigen, obgleich sein Umfang nicht mehr als dreißig Schritte betrug, denn der Halbmesser war zehn und der Durchmesser von einem Ende des Halbkreises zum andern längs der Felswand zwanzig Schritte. In diesen Halbkreis setzte ich zwei Reihen Pfähle, sechs Zoll auseinander. Um sie in den Boden zu schlagen, zog ich einen Graben, zwei Fuß breit und tief, richtete die Pfähle auch sechs Zoll von einander, und trieb sie erst mit einem schweren Stück Holz in die Erde, bis sie fest standen, nachher bediente ich mich des Hebeisens, wodurch die Arbeit schneller vor sich gieng. Hierauf warf ich die ausgegrabene Erde wieder in den Graben und stampfte sie fest. Das dickste Ende stand ungefähr acht Fuß hoch über der Erde, und war oben zugespitzt. Dann füllte ich den Zwischenraum beider Reihen mit den Stücken Ankertau, indem ich sie eins auf's andere legte, bis an die Spitze. Ich befestigte dieses Pfahlwerk inwendig noch mit Stemm-Pfählchen, wodurch es eine so große Stärke erhielt, daß weder Mensch noch Thier es durchbrechen oder drüber wegkommen konnte. In diese Wohnung brachte ich nachher Alles, was ich theils am Ufer des Flusses geladen, theils ausserhalb[100] der Mauer niedergelegt hatte, und machte dann den Eingang, der bisher offen geblieben war, zu, und stieg auf einer kleinen Leiter auf die Mauer, zog sie nach mir herauf, und ließ sie an der andern Seite herunter, so daß ich hinabsteigen konnte; inwendig ließ ich sie angelehnt stehen, auswendig aber verbarg ich sie in eine nahe, mit Gebüsch bedeckte Felsritze. Doch jetzt kehre ich wieder zu meinem Tagebuch zurück.
3. November. Auf meinem Morgenspaziergang bemerkte ich mit Vergnügen, daß es viele Ziegen auf der Insel gab. Allein sie waren so scheu, so schlau und schnell im Laufe, daß es äusserst schwer war, eine zum Schusse zu kriegen; doch glückte es mir, eine zu schiessen, die ein säugendes Junges bei sich hatte, welches nicht nur bei ihr stehen blieb, bis ich kam und sie aufhob, sondern als ich sie wegtrug, folgte es mäckernd nach bis zu meinem Zelt. Ich hoffte es aufziehen zu können, allein es war zu jung, ich konnte es nicht zum Fressen bringen, und ich sah mich genöthiget, es zu schlachten und selbst zu essen. Diese beiden Thiere versahen mich auf acht Tage mit Fleisch, wodurch ich meinen vom Schiff geretteten Vorrath sparen konnte, womit ich, vorzüglich mit dem Brote, sehr genau wirthschaftete. Späterhin, als ich diese wilden Ziegen besser beobachtet hatte, bemerkte ich, daß sie sogleich davon liefen, wenn sie auf den Höhen waren, und mich, selbst in großer Entfernung, gewahr wurden; weideten sie aber in den Thälern, und ich befand mich auf den Hügeln, so schienen sie mich gar nicht zu bemerken, wenn ich ihnen schon ziemlich nahe war. Aus dieser oft bestätigten[101] Erfahrung zog ich den Schluß, diese Thiere müßten in einer höhern Stellung mehr Spürkraft haben, oder ihr Auge so gebaut seyn, daß es die niedriger liegenden Gegenstände leicht, die höher befindlichen beinahe gar nicht erblicken könne. In der Folge erleichterte ich mir diese Jagd dadurch, daß ich erst die Anhöhe erstieg, und oft reiche Beute machte.
4.-12. November. Während dieser Zeit unterließ ich meine täglichen Streifereien nicht, und arbeitete fleißig an meiner Einzäunung. Anfangs haute ich einen Pfahl, machte ihn zurechte, trug und setzte ihn an Ort und Stelle; allein ich fand bald, daß meine Arbeit weniger mühsam seyn und schneller fördern werde, wenn ich erst alle Pfähle im Walde umhiebe, dann einen nach dem andern behaute, und so jede Arbeit besonders verrichtete, bis sie beendigt sey, wodurch ich Behendigkeit und Geschicklichkeit erlangte.
13. November. Heute regnete es, welches mich angenehm erfrischte, die große Hitze abkühlte, und die Erde befeuchtete. Als ich mich eben dessen erfreute, fieng es an ganz entsetzlich zu wetterleuchten, und ein heftiger Donnerschlag erfolgte. Schnell wie der Blitz selbst bebte mir der Gedanke durch die Seele: o mein Pulfer! Da mir meine Vertheidigung und mein Unterhalt beinahe einzig davon abzuhangen schien, so war die Angst, es durch einen einzigen Schlag zu verlieren, so groß, daß die Gefahr, durch dessen Entzündung mein Leben einzubüßen, mir gar nicht einfiel. Der Eindruck, den dieser Schrecken auf mich machte, war so stark, daß ich alle Arbeit liegen ließ, und mich, sobald[102] der Sturm vorüber war, vor allen Dingen damit beschäftigte, aus einem alten Segel Beutel zu verfertigen, um meinen Vorrath an Pulfer darin zu vertheilen. Die drei Fäßchen enthielten jedes 50 Pfunde; ich machte wohl 100 Säckchen, die ein bis zwei Pfunde halten mochten, und legte sie an verschiedenen trockenen Orten so weit aus einander, daß keines von dem andern angesteckt werden konnte.
14.-16. November. Diese drei Tage waren wieder sehr schön, und ich brachte sie, wie die vorhergehenden, mit Verfertigung der Pulferbeutel zu, denn die Arbeit gieng erst langsam von der Hand. Auch unterließ ich keinen Morgen, auf die Jagd zu gehen, und schoß eine wilde Katze, deren Fleisch zu nichts taugte, ihr Fell aber war sehr weich; ich zog es ihr ab, und dies brachte mich zu dem Entschluß, in Zukunft von allen erlegten Thieren das Fell abzustreifen und aufzubewahren.
17. November. Nach meinem Morgenspaziergang machte ich mich wieder an meine Pfähle im Walde.
18.-30. November. Ich setzte diese Arbeit mit großem Fleiße fort. Als ich am Morgen bei meiner Zurückkunft an den Seestrand kam, sah ich mancherlei Arten von Seevögeln, die mir alle unbekannt waren, bemerkte auch zwei oder drei große Seethiere, die, als ich mich näherte, sogleich untertauchten, daß sie mir entgiengen, und ich nicht wußte, was ich aus ihnen machen sollte.
1.-13. Dezember. In einer Einöde, wo man von aller menschlichen Gesellschaft verlassen lebt, und[103] mit einer harten und langsamen Arbeit beschäftigt ist, kann sich nur wenig Merkwürdiges ereignen. Freilich ist auch das Wenige für den Einsamen von Wichtigkeit, nicht aber für den Leser. Ich übergehe daher vieles. An einem dieser Tage schoß ich einen großen Vogel, der sehr gut zu essen, mir aber völlig unbekannt war.
14. Dezember. Auf meinem Morgenspaziergang, den ich selten unterließ, und von dem ich eben so selten nach Hause kam, ohne etwas Eßbares mitzubringen, entdeckte ich bald dieses, bald jenes, das mir nützlich seyn konnte. So fand ich heute eine Art wilder Tauben, die aber nicht wie Waldtauben in einem Baum, sondern wie die Haustauben in den Höhlen der Felsen nisteten. Ich nahm einige Junge, und bemühte mich, sie zahm aufzuziehen, welches zwar gelang; als sie aber älter wurden, flogen sie davon, denn ich hatte damals noch kein Getreide; ich fand jedoch oft ihre Nester, und nahm bald ihre Jungen, bald ihre Eier weg, die ein sehr schmackhaftes Gericht abgaben.
15.-24. Dezember. An diesem letztern Tage war ich mit dem Fällen des zu meinem Pfahlwerk nöthigen Holzes fertig geworden; ich hatte nämlich den Umfang desselben berechnet, und gefunden, daß ich für jede Reihe auf jeden Schritt fünf Pfähle haben müßte. Anfangs hieb ich große Bäume um, spaltete sie, und machte mehrere Pfähle aus der Dicke eines Stammes, fand aber nachher gerathener, nur junge Bäume auszusuchen und zu fällen, weil nicht nur die Arbeit viel leichter und kürzer war, da ich sie nicht zu spalten und zu bezimmern brauchte, sondern ich vermuthete, die[104] Rinde würde noch zu ihrer Dauerhaftigkeit beitragen.
25. Dezember. Da ich mich erinnerte, daß heute ein großer Festtag der christlichen Kirche sey, so enthielt ich mich aller Arbeit, doch darin bestand dessen ganze Feier, ohne mich weiter darum zu bekümmern. Ich machte einen Spaziergang, kam wieder nach Hause, speisete eine junge Taube, einige Eier, ein Stückchen Zwieback, nahm einen guten Schluck Rum und gieng dann schlafen. Als nach vier Uhr die größte Hitze vorüber war, gieng ich noch einmal spazieren, und dieser Müßiggang, der durch keinen Zweck, durch keine Beschäftigung zerstreut wurde, fand seine Strafe durch sich selbst. Zufälligerweise kam ich an die Stelle, wo die Meeresfluthen mich an den Strand geworfen hatten; dies brachte das Andenken an alles, was mir begegnet war, lebhaft vor meine Seele zurück, und erfüllte mich mit schwermüthigen Gedanken.
Die Ansicht meines Zustandes war fürchterlich. Da mich der schreckliche Sturm mehrere hundert Meilen von dem vorgesetzten Laufe meiner Reise und von den gewöhnlichen Handelsbahnen abgetrieben, und auf diese abgelegene Insel verschlagen hatte, so glaubte ich Ursache zu haben, es als ein Verhängniß des Himmels ansehen zu müssen, in dieser Einöde und in diesem verlassenen Zustande mein Leben zu endigen. Bei diesen Betrachtungen vergoß ich häufige Thränen, und war ganz in Traurigkeit versunken. Endlich erholte ich mich, und meine Vernunft gewann die Oberhand. »Warum – sagte ich zu mir selbst – warum sollte die göttliche[105] Vorsehung ihre Geschöpfe so völlig niederbeugen, so ohne Hülfe verlassen und elend machen, daß ein solches Leben kaum des Dankes werth scheint? Es ist wahr, ich befinde mich von allen Menschen getrennt, in einer verlassenen Lage. Aber wo sind meine Gefährten? waren wir nicht Eilfe im Boot? wo sind die andern Zehne? und ist es nicht besser hier als dort zu seyn?« – Hier wies ich mit dem Finger auf's Wasser, das zu meinen Füßen den Strand bespühlte. Alles Uebel muß man mit dem darin enthaltenen Guten und mit dem noch Schlimmern, das nahe dabei war uns zu betreffen, vergleichen. Dies that meiner Schwermuth Einhalt, und ich kehrte im lieblichsten Mondesschimmer nach Hause.
26.-31. Dezember. Des Morgens gieng ich nicht spazieren, sondern machte mich mit neuem Eifer an meine Arbeit, die darin bestand, meine Pfähle zu behauen, und oben und unten spitzig zu machen. Doch that ich dies im Walde, und sie wurden um soviel leichter. Uebrigens war die Hitze sehr groß, und ich gieng um 10 Uhr nach Hause, hielt meine Mahlzeit und legte mich schlafen; nach 3 Uhr gieng ich wieder an die Arbeit, und es war mir sehr angenehm, daß ich im Schatten arbeiten konnte. Nach 6 Uhr gieng ich wieder nach meiner Wohnung, denn um 7 Uhr war es in den längsten Tagen schon Nacht, und diese Hin- und Hergänge, die über eine halbe Meile betrugen, konnten mir für einen Spaziergang gelten.
1. Jenner 1660. Heute früh machte ich meine gewöhnliche Aussflucht, schoß eine junge Ziege, und lähmte[106] eine andere, so daß ich sie lebendig fieng und an einem Stricke nachführte, wo ich sie verband und so sorgfältig pflegte, daß sie am Leben blieb, und das zerschossene Bein völlig genas. Diese Ziege ward nach einiger Zeit so zahm, daß ich sie frei herumlaufen und auf dem kleinen grünen Platze vor meiner Wohnung weiden ließ, ohne daß sie verlangte zu entlaufen, im Gegentheil folgte sie mir überall nach, wie mein Hund, mit dem sie sich sehr gut vertrug. Der geschossenen Ziege zog ich das Fell ab, bereitete mir ein Stück davon, aß einige Eier und Zwieback, und nahm einen Trunk Kordialwasser. Dieses war die ganze Feier dieses Neujahrstags, denn nachdem ich während der größten Hitze geschlafen hatte, arbeitete ich bis gegen halb 7 Uhr im Walde an meinen Pfählen, weil ich dadurch traurigen Gedanken zuvorkommen oder sie verscheuchen wollte.
2.-5. Jenner. An diesem letzten Tage war ich mit dem Behauen und Zuspitzen der Pfähle fertig geworden, und fieng nun an, selbige nach Hause zu tragen, womit ich bis zu Ende des Monats fertig wurde, denn da mir dieses Hin- und Herlaufen genug Bewegung gab, so gieng ich nur dann auf die Jagd, wenn es nöthig war.
6. Jenner. Auf meinem heutigen Spaziergange gieng ich weiter westlich als sonst in die Thäler, die gegen die Mitte der Insel hin lagen, und fand eine weit größere Menge Ziegen als vorher, aber eben so scheu. Ob die Jagd, die ich auf sie machte, selbige hieher getrieben oder ob sie von jeher hier häufiger[107] waren, da diese Gegend weit bessere Weiden hatte, kann ich nicht entscheiden. Ich machte den Versuch, meinen Hund auf diese Ziegen zu hetzen, um wo möglich einige lebendig zu fangen, sie eben so zu zähmen, wie das Junge, das ich zu Hause hatte, und eine ganze Heerde zu ziehen, damit es mir nicht an Lebensmitteln fehlen möchte, wenn mein Pulfer und Blei alle wäre. Allein ich hatte mich sehr in meiner Erwartung betrogen; so scheu und furchtsam diese Ziegen waren, so setzten sie sich doch meinem Hund vereinigt entgegen, und er merkte die Gefahr zu wohl, als das er sich derselben ausgesetzt hätte, er schmiegte sich vielmehr an mich an, und ich ließ es dabei bewenden.
7.-31. Jenner. In dieser Zwischenzeit hatte ich nun meine Pfähle alle nach Hause gebracht, und fieng heute an, die äussere Reihe einzusetzen, oder vielmehr, ich fuhr damit fort, weil ich, wie bemerkt, anfangs schon einige dreißig eingerammet hatte.
1.-18. Hornung. Ich arbeitete während dieser Zeit an meinem Pfahlwerk mit gutem Fortgange, denn der Felsen beschattete die Stelle, wo ich beschäftigt war, und es schien mir, daß sich die große Hitze abkühlte.
19. Hornung. Heute fieng es an zu regnen, da es jedoch weder stark noch anhaltend war, so ließ ich mich dadurch nicht an meiner Arbeit stören.
20. Hornung. Kein Regen; die Witterung war kühler und angenehmer als vorher, und das Erdreich war sehr erfrischt.
21. Hornung. Häufiger Regen den ganzen Tag[108] und die Nacht durch, so daß ich an der Arbeit gehindert und in meinem Zelt zu sitzen genöthigt war, welches mich aber nicht völlig vor dem Regen schützen konnte. Ich beschloß also, noch ein größeres Zelt, über das, so ich jetzt bewohnte, aufzuschlagen, und nahm die zwei größten Stücke von den Segeln, die ich leider hatte zerschneiden müssen, nähete sie wieder zusammen und die nöthigen Schleifen daran.
22. Hornung. Ich benutzte diesen Morgen, wo es nicht regnete, um in dem Walde einige dünne gerade Baumstämme zu fällen; vom Abholze machte ich kleine Pfählchen, und brachte in zwei Gängen alles nach Hause. Es war bereits Nachmittag und fieng wieder an, doch nicht stark, zu regnen. Demungeachtet war gegen 5 Uhr mein großes Zelt aufgerichtet und schützte mich nicht nur weit besser als vorher, sondern bedeckte auch einen guten Theil meiner Güter.
23.-28. Hornung. Es regnete alle diese Tage und Nächte, doch nicht ohne Aufhören, und ich arbeitete täglich an meiner Einzäunung.
1.-10. März. Der Regen dauerte, obwohl nicht ununterbrochen, fort, war aber oft sehr heftig und mit Windstößen begleitet. Da ich ein unbehagliches Frösteln fühlte, sobald ich nicht beschäftigt war, so setzte ich meine Arbeit fort, wenn es nicht zu stark regnete, so daß ich heute mit der äussern Reihe meines Pfahlwerks fertig wurde.
11.-14. März. Ich fieng die zweite Reihe an, mußte aber an letzterm Tage die Arbeit liegen lassen, weil der heftige Regen, der beinahe mein Zelt niedergeschlagen[109] hätte, den ganzen innern Raum überschwemmte, da das Wasser jetzt keinen Abfluß hatte, und mich nöthigte, Löcher zwischen den Pfählen zu machen, welches auch gelang.
15.-31. März. Die Regenzeit währte beinahe ohne Aufhören fort, und war mit Stürmen und Ungewittern begleitet. Ich gieng selten auf die Jagd, und nur auf die Ziegen, weil eine einzige mir auf eine Woche Unterhalt verschaffte, und nur einen Gang und einen Schuß erforderte. Meine Arbeit setzte ich fort, wenn es nur einigermaßen möglich war. In der Zwischenzeit nahm ich eine andere vor. Ich hatte bis jetzt weder Tisch noch Stuhl gehabt, und ohne diese war ich nicht im Stande, weder mit Vergnügen zu essen noch zu schreiben, noch verschiedene andere Dinge zu thun. Ich saß gewöhnlich auf einer Kiste und eine größere diente mir statt des Tisches. Dieser letztere versprach mir schon allein so viele Bequemlichkeit, daß ich mich in den Stunden, wo ich an meiner Mauer zu arbeiten gehindert war, damit beschäftigte, einen Tisch zu machen, und ich brachte ihn in diesen Zwischenstunden in acht Tagen zu Stande, doch war ich nur halb damit zufrieden, denn ich war anfangs ein elender Stümper; Zeit und Nothwendigkeit machten mich aber bald zu einem so guten Meister, als es nur Jemand unter solchen Umständen seyn konnte.
1.-14. April. Noch dauerte die Regenzeit fort, doch waren in den letzten Tage einige schön, und die guten Zwischenräume etwas länger, so daß ich am letzten derselben endlich mit der zweiten Pfahlreihe[110] nicht nur zu Ende kam, sondern auch den bisher offengelassenen Eingang, der sich rechts an der Felswand befand, schließen konnte. Wenn mich der Regen an dieser Hauptarbeit hinderte, so wandte ich diese Zwischenzeit auf die Verfertigung eines Stuhls und einer kurzen Leiter an, mit denen ich ungefähr zu gleicher Zeit fertig ward. Die letztere machte mir weit weniger Mühe als jener, der meine Geduld erprobte, denn er brach mir, selbst unter der Arbeit, etliche Male in Stücken, und ich hatte genug zu thun, ihm ein erträgliches Ansehen zu geben; er war schwer, unbehülflich und doch nicht solide. Ich hatte sowohl den Stuhl als den Tisch aus den kurzen Stücken von Brettern gemacht, die ich vom Schiffe gebracht hatte, und es ist mir noch jetzt unbegreiflich, warum ich nicht Tische und Stühle von daher mitgebracht habe, da ich doch weniger brauchbare Dinge mitnahm.
15. April. Diese Nacht schlief ich ganz vortrefflich. Das Gefühl der Sicherheit vor jedem feindseligen Anfall, dem ich bis jetzt ausgesetzt gewesen war, trug unstreitig das meiste dazu bei, obgleich ich noch nicht das Geringste bemerkt hatte, das mir hätte Gefahr drohen können. Alles, was ich besaß, hatte ich in meinen Hofraum getragen, ehe ich ihn vollends schloß. Allein Alles lag unter und über einander in solcher Unordnung, daß ich fast keinen Platz hatte, mich zu bewegen, und wenn ich etwas suchte, mußte ich vieles aus der Stelle rücken, weil ich oft nicht wußte, wo das Gesuchte sich befand. Da ich nun merkte, daß die Felswand aus einem lockern Sandsteine bestand, der sich leicht bearbeiten[111] ließ, so nahm ich mir vor, da wo die Natur schon vorgearbeitet zu haben schien, tiefer einzugraben, um mir und meinen Gütern Raum zu verschaffen; allein zu dieser Arbeit fehlte es mir an drei unentbehrlichen Werkzeugen, nämlich an einer Haue, einer Schaufel und einem Schiebkarren oder Korbe. Die erste glaubte ich durch mein Hebeisen ersetzen zu können, obgleich sie sehr schwer waren. Ich gieng also in den Wald, um hartes Holz zu einer Schaufel zu finden, und fand den Baum, der in Brasilien der Eisenbaum genannt wird, oder ihm wenigstens sehr ähnlich war. Von diesem hieb ich ein Stück ab und trug es nach Hause; beides kostete mir unendliche Mühe, denn es war sehr schwer und so hart, daß ich meine Axt daran beinahe zu Schanden gemacht hätte.
16.-18. April. Die Härte des Eisenholzes, der Mangel an guten Werkzeugen und an Geschicklichkeit waren Ursache, daß ich nicht weniger als drei Tage an dieser Schaufel zu arbeiten hatte, bis ich's so weit brachte, daß sie tauglich zu dem war, wozu ich sie bestimmte; da aber der breite Theil nicht mit Eisen beschlagen war, so konnte sie freilich nicht so lange dauern, wie die eisernen in Europa.
19.-20. April. Da mir biegsame Ruthen zum Korbflechten mangelten, und ich noch keine gefunden hatte, auch keine Zeit mit Nachsuchen verlieren wollte, obschon ich einige Geschicklichkeit dazu besaß, so dachte ich erst auf einen Schiebkarren. Da hätte ich mir nun alles zu machen getraut, bis auf das Rad, wozu ich aber keine Möglichkeit sah. Ich gab also den Schiebkarren[112] sowohl als den Korb auf, und nagelte mir aus Brettern und Stäben ein Machwerk zusammen, das einer Mulde, worin die Handlanger den Maurern den Mörtel zutragen ähnlich sah, und mir wirklich gute Dienste leistete.
21. April. Heute früh fieng ich nun meine Mineurarbeit an, und sie gieng sehr gut vorwärts. Ich grub erst einen Gang gerade in den Felsen hinein, der etwa 35 Fuß tief, 10 breit und 7 hoch war. Hierauf grub ich auf jeder Seite zwei Kammern, zwischen denen ich ungefähr 3 Fuß dick Felsen stehen ließ, theils um das Gewölbe zu stützen, theils um die Kammern zu trennen; die beiden vordern dienten mir rechts zum Schlafzimmer und links zur Küche, und hatten 12 Fuß in's Gevierte. Die beiden hintern waren 20 Fuß weit in's Gevierte, und waren zum Magazin und zum Keller bestimmt. Alle waren gleich hoch, wie der Mittelgang. Die ausgegrabene Erde oder Sandsteine trug ich durch mein Zelt hinaus, schüttete sie inwendig an den Fuß meines Pfahlwerks, und machte damit eine Terrasse, die rund herum lief, 3 Fuß breit und 2 hoch war. Die übrige Erde warf ich nachher über die Mauer, und dieser Anwurf ward beinahe so hoch als die Mauer, und gab ihr eine außerordentliche Festigkeit. Die Böschung stach ich nachher steiler ab, und belegte sie mit Rasenstücken, die sich bald begraseten, so daß Niemand vermuthen konnte, daß eine Wohnung dahinter war.
1.-31. Mai. Diesen ganzen Monat hindurch war ich mit meiner Höhle beschäftigt, und brachte sie so zu Stande, wie ich sie oben beschrieben habe. Ich glaubte,[113] an diesem letzten Tage mit meinem Gewölbe fertig zu seyn, als auf einmal eine so große Menge Schutt herunterfiel, daß ich nicht ohne Ursache heftig erschrack, denn wäre ich eben darunter gewesen, so hätte ich weiter keinen Todtengräber nöthig gehabt.
1.-4. Junius. Diese vier Tage brachte ich mit dem Herausschaffen des heruntergefallenen Schuttes zu, und um ähnliche Zufälle in Zukunft zu verhüten, nahm ich mir vor, die Decke über mich zu stützen.
5.-9. Junius. In diesen Tagen richtete ich im Mittelgange vier und in jedem der Nebengewölbe zwei Stützen auf, die aus starken jungen Baumstämmen bestanden, über welche ich starke Bretter von der Haut des Schiffs kreuzweise überlegte, wodurch ich meine Gewölbe in Sicherheit setzte.
10.-18. Junius. Diese Zeit wandte ich dazu an, Nägel in die Wände und Stützen einzuschlagen, und Bretter an die Wände zu befestigen; die in Reihen stehenden Stützen waren mir sehr bequem, und dienten mir zugleich zu Abtheilungen in meinen Gemächern, ich vermehrte sie also deßwegen nachher im Keller und im Magazin.
19.-25. Junius. Nachdem alles mit Brettern und Nägeln versehen war, brachte ich alle meine Reichthümer nach und nach in meine Gewölbe, alle Eßwaaren und Getränke in den Keller, das Uebrige, wo es hingehörte, in das Schlafzimmer, in das Magazin und in den Mittelgang. Auf diese Art hatte ich nun meine Gewehre, mein Handwerkszeug, meine Nägel und anderes Eisenwerk, kurz alles an seiner Stelle[114] und mir bequem an der Hand; meine Gewölbe sahen jetzt nicht anders aus, als ein allgemeines Magazin wo Ordnung und Reinlichkeit herrschte, und es war kein geringes Vergnügen für mich, meine Vorräthe von allen nothwendigen Dingen so groß zu sehen, daß ich auf viele Jahre keinen Mangel zu befürchten hatte.
Da ich bei dieser Arbeit Alles, was ich besaß, nachsehen mußte, um jedes dahin zu legen, wohin es gehörte, so fand ich vieles, das ich nicht bemerkt hatte, als ich meine Güter vom gestrandeten Schiffe rettete; denn wenn die Kisten nicht zu groß und schwer waren, so nahm ich mir nicht die Zeit, sie zu öffnen, sondern brachte sie, so wie ich sie fand, auf den Floß und an's Land. Unter diesen Dingen, die ich nun wie neue Geschenke betrachtete, war ein bedeutender Vorrath an weißem Papier, Federn, Tinte, verschiedene gedruckte und geschriebene Bücher, die sich sowohl in meinem eigenen als in des Schiffers, Steuermanns, Konsta bels und Schiffzimmermanns Vorrath befanden; ferner drei bis vier Kompasse, mathematische Instrumente, fünf Ferngläser, Sonnenuhren, Land- und Seekarten, Schiffsbücher und eine Menge Kleinigkeiten, die ich vielleicht als unnütz zurückgelassen hätte, wenn sie mir an Bord zu Gesichte gekommen wären, und die mir nachher sehr nützlich waren. Dagegen fand ich bei verschiedenen Gelegenheiten, daß mir noch viele Dinge fehlten, die mir sehr nöthig gewesen wären, die ich in der Folge selbst verfertigen, durch andere ersetzen oder missen mußte. Der Abgang der Kerzen, die ich[115] auf dem Schiffe gefunden und mitgebracht hatte, nöthigte mich bald, sie durch eine Lampe zu ersetzen, wenn ich nicht gegen 7 Uhr, wo es gewöhnlich schon finster war, zu Bette gehen wollte. Ich erinnerte mich wohl an den Wachsklumpen, aus dem ich auf meiner Fahrt längs der afrikanischen Küste Lichter gemacht hatte; allein das half hier nichts. Ich machte mir also ein Schüsselchen von Thon, trocknete es in der Sonne, drehte mir die Dochte von Schiffswerg, und benutzte das Fett der Ziegen. Dadurch erhielt ich Licht, obgleich es nicht so schnell brannte wie Kerzen. Auch muß ich erinnern, daß ich ein altes Musketenschloß zu einem Feuerzeuge eingerichtet hatte, das mir gute Dienste leistete.
Ausgewählte Ausgaben von
Robinson Crusoe
|
Buchempfehlung
Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.
98 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro