[207] Abendglocken am 20. März 1890.
Glocken – Glocken –
sonst den Donner klagen wir,
sonst den Flammensturm frohlocken wir:
heut frohlocken, Volk, um Dich –
heut um Dich, Bismarck,
klagen unsre Zungen, –
aber immer
widerhallt aus unserm
Mund die Kraft.
Immer hungernd,
dumpf, bang nach Opfern
ruft der Mund der Kraft.
Doch auch immer
auf zu dumpfen Jubellauten
thut den Mund die dunkle
Mutter dann;
denn auch immer
zeuget, zeuget Opfer sich
jung
immer jung der Schooß der Kraft ...[207]
Nur ein Hauch
kommt und rühret das Gebot der großen
Mutter die Erkornen;
doch dahingezogen
folgen sie gebannt und wachsen
zu den Wolken, –
folgen sie und wankend
bebt der Boden, –
folgen sie
und
fallen.
Einem Schooß entrungen,
Einem Muttergrunde,
rollt der Strom
und
quoll der Glut-
Block,
der nun – kalt – die Wogen
staut empor.
Hingetürmt, stolz,
hochenthoben dem Gebrause,
starr thront das Lavahaupt,
ruhet die gewalt'ge Sohle, –
schaut: starrer immer,
nur gewaltiger noch
von der Wucht der Brandung
eingebohrt dem Boden, der ihn schuf! –
Aber aufgebäumt nun,
voller prallt und wühlt und kocht die hohe Flut,
schaut: voller immer,
und es wankt die Sohle, wankt das starre
stolze Haupt,
das zur Macht den Drang der Woge
dämmend hob.[208]
Horcht: grollend krachen,
rauschend drohen
ringsum dunkle Jubelklagelaute, –
horcht in Ehrfurcht:
heut der Kraft gefallen
ist ein Opferzeuge! –
Ruhe, ruhe,
Bismarck, graue Klippe du –
rolle, rolle,
Volk, du auferwachte junge Stromflut –
hohl verhallet
eurer keuchenden Umarmung
dumpfer Odem,
ausgerungne Opferschlacht! –
Doch die Woge, doch wohin die Woge?
denn auch Er, der heute
übers alte Haupt dir, Du Gesunkner,
hoch hinweggeschäumt im Zollern-Stolze:
ja, ein Schaum nur sprüht er,
der die Woge,
die empörte junge Woge krönt.
Doch wohin, wohin die junge Woge? –
Lausche, deute, lausche,
der dein Haupt Du selbst gefürstet,
der erfüllet
das Gebot der großen Mutter Du:
lausche du den fernen Glocken,
wenn du wandelst
stumm im öden Parke, wo im Winde
schwanke Schatten streun die hohen
dunklen Lebensbäume:
lausche dann und deute
du der Glocken bange Laute dann:
Sohn der dunklen[209]
immer jungen
nimmer satten Mutter Du –
der Kraft ...
Buchempfehlung
Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro