Sechster Auftritt.

[52] Niklas, Stephan, Bauern, Bäuerinnen mit Zweigen und Blumen geschmückt.

Ausgelassenes lustiges Treiben.


Niklas und Stephan sitzen am Tisch rechts vorn; Niklas zur Rechten, Stephan zur Linken.

Bauern und Bäuerinnen teils sitzend, teils an den Tischen stehend und aus Bechern trinkend und damit anstoßend.

Stephan steht bald nach Beginn des Chores auf.


BAUERNCHOR.

Juchheißa! Juchheißa! Heut dürft ihr die Kannen nicht schonen,

Der heilige Festtag gehöret den Bauern.

Denn Zehnten und Steuern und Zinsen und Fronen

Kann schon armen Leuten das Leben versauern. –


Stephan steht während der Pause im Chor in der Mitte.

Ein Mädchen hält ihm von rückwärts die Augen zu.

Stephan wehrt die Hände ab, will sich umsehen, wer es war.

Das Mädchen hinter ihm bückt sich.


EIN BURSCHE tritt schnell vor, schneidet Stephan ein Gesicht.

Bäh!


Alle lachen laut auf.


BAUERNCHOR.

Das Tragen und Hacken,

Das Mühen und Placken,

Hört heut einmal auf.

Drum lustig, Gevattern!

Drum lustig, Gevattern und Nachbarn, stoßt an!


Sie stehen alle auf und stoßen an.


Es lebe der heilige Florian!


Münchener Juchzer.

Niklas und Stephan nehmen wieder wie vorher an dem Tisch rechts vorn Platz.


Zwei Andere setzen sich zu ihnen.


Die Übrigen stehen und besetzen die andern Tische.


NIKLAS spricht. Juchhei! Gott segne es dem heiligen Florian, daß er uns einen Festtag in den Kalender gebracht hat. Juchhe! Ich könnte heut den letzten Pfennig in der Schenke lassen!

STEPHAN. Pfui, Gevatter, pfui! Denkt Ihr nicht an Weib und Kinder?[52]

NIKLAS. Hol's der Geier! Soll ich auch Festtags an sie denken? Sie liegen mir Werktags genug auf dem Halse. Ich will auch einmal lustig sein, und geht es heut ans Tanzen, so spring' ich drunter, daß es eine Art hat.

STEPHAN. Recht, Gevatter, wir haben so schon lange keinen Tanzbären gesehn.

NIKLAS schlägt nach ihm. Geh, du Duckmäuser! Hast du auch einmal das Herz, am Festtag einen dummen Spaß zu machen? Aber sag, kommt dein Vetter heut nicht heraus mit seinen Gesellen? Das sind mir lustige Vögel, die gräflichen Schützen; wo sie sind, geht es noch eins so toll her.

STEPHAN. Ei, freilich kommen sie. Mein Vetter, der Leibschütz, sagte am letzten Sonntage als er hier war: »Vetter,« sagt' er, »auf Sankt Florian komme ich zu euch heraus, oder es müßte schlimm gehn. Sorgt nur,« sagte er, »daß wir schmucke Dirnen zum Tanz finden, und daß die Beste nicht fehlt.«

NIKLAS. Schaut den Fuchs! Ach, ich versteh' schon, wen er damit meint! Oho, mich macht keiner blind! Ich habe wohl gesehn, wie er um schön Annchen herumstrich.

STEPHAN. Eben darum, Gevatter, eben darum leidet Meister Heiling gewiß nicht, daß seine Braut heut zum Tanz heraufkommt. Er schielte meinen Vetter immer so grimmig von der Seite an, als er mit Annchen tanzte.

NIKLAS. Die Pest über den verdammten Goldmacher! Er hat unsren Burschen den nettsten Backfisch weggeschnappt. Und sag' nur einer, was das Mädel an dem spukhaften Kerl hat?

DIE ANDERN. Ja, 's ist auch wahr!

STEPHAN. Ja, ein wunderliches Aussehn hat er, mir grauselt immer, wenn ich ihn sehe. Aber Annchen wird es doch gut haben, er ist ein steinreicher Mann.

NIKLAS. Hol's der Geier, wenn er für all sein Geld nicht einmal zum Lachen kommen kann! Wichtig, beide Ellbogen über den Tisch legend. Und sage doch, was es heißen soll, daß er sich alle Freitag in seinem Hause verschließt.

STEPHAN. Ach, Ihr wißt ja, er kocht Arzeneien.

NIKLAS. Schon recht, ich bin froh, daß ich seine Latwergen nicht schlucken muß.


Hörnerklang von links außerhalb.
[53]

BAUERN. Ha, die Schützen! Hört ihr? Sie kommen!

STEPHAN springt auf. Ah, da kommen sie, mein Vetter Kunz voran!


Der burggräfliche Leibschütz Konrad kommt mit vier Jägern, die ihre Hörner tragen, von links hinten.


Quelle:
Heinrich Marschner: Hans Heiling. Leipzig [1895], S. 52-54.
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