[87] Heiling allein. Stimmen aus der Kapelle.
HEILING spricht.
Hier ist der Platz, hier will ich ihrer warten,
Ein unwillkommner finstrer Hochzeitsgast,
Ein schlimmer Führer in das Brautgemach.
Du schmucker, feiner, lust'ger Bräutigam,
Die Brautnacht bricht herein, nimm dich in acht,
Sie wird mit tiefem Schatten dich bedecken.
[87] Nr. 17. Gesang unter Harmoniumbegleitung in der Kapelle.
Während diesem ertönt das Glöcklein in sparsamen Schlägen.
CHOR.
Segne, Allmächtiger, segne dies Paar,
Schütze ihr Haupt in jeder Gefahr!
Du bist der starke Gott, auf den wir bauen,
Du der Allmächtige, dem wir vertrauen,
CHOR, ANNA UND KONRAD.
Du bist der starke Gott, dem wir vertrauen,
Du der Allgütige, auf den wir bauen!
Arie.
HEILING.
Ha! Ihr glaubt euch schon am Ziel,
Ihr seid vereint? – Vergessen habt ihr mich,
Vergessen mich und meine Rache!
Weich.
O Anna, sieh, dies Auge hat geweint!
Doch hab ich mich ermannt,
Ja, ich habe mich ermannt,
Gerechter Zorn erwache. –
So heiß ich dich geliebet,
So heiß brennt meine Wut;
Was mir das Leben trübet,
Das brech auch euren Mut.
Der Liebe bittre Schmerzen, weh, weh!
Leert ich in einem Zug, in einem Zug!
Nun werd' auch meinem Herzen
Der Rache Lust genug.
Mein wildbewegtes Herz,
Bei dir fand es, was es entbehrte;
Im milden Glanze strahlte mir
Der Himmel und die Erde.
Dein liebes Bild allein
Erfüllte meine Seele;[88]
Mein Leben dir zu weihn,
War mir das höchste Glück;
Im Wachen und im Traum
Sah ich die holden Züge.
Im weiten Erdenraum
Gab es ein Wesen nur für mich.
Ich lebte nur für dich,
Nur du fülltest meine Seele.
Doch wie ich dich geliebet,
So heiß brennt meine Wut,
Was meine Seele trübet,
Das brech' auch euren Mut!
Der Liebe bittre Schmerzen
Leert ich in einem Zug,
Drum werd' auch meinem Herzen
Der Rache Lust genug!
ANNA UND KONRAD.
Du bist der starke Gott, auf den wir bauen,
Auf den wir bauen!
CHOR.
O du Allgütiger, dem wir vertrauen,
Du, der Allmächtige, auf den wir bauen!
Der Schulmeister ist durch das Thor der Kapelle sichtbar, wie er zu dem Gesang den Takt schlägt.
HEILING nach dem ersten Takte vor sich hinsprechend.
Vergebens flehet ihr, der ew'ge Rächer ist mit mir.
Wende dein Angesicht, richtender Gott!
Laß meine Rache frei, hemme sie nicht!
Pause.
Er spricht weiter, wenn Konrad und Anna im Chore hörbar werden.
Willst du mich bethören, süßer Friedensklang,
Will ich dich nicht hören, frei sei der Rache Drang!
Er eilt nach links ab.
Nach Beendigung des Gesanges große Pause; dann Glockengeläute.
Die sechs Bergknappen-Musikanten beginnen hierauf wieder den Bauernhochzeitsmarsch Nr. 15.
[89] Der Zug kommt in der vorigen Ordnung aus der Kirche und geht unter Vorantritt der Musikanten links vorn ab.
Konrad und Anna haben sich von dem Zuge getrennt und bleiben.
Der Hochzeitsmarsch wird schwächer und schwächer und verklingt.
Marschner hat diese Arie für den großen Bassisten Josef Staudigl am k.k. Hofoperntheater in Wien nachkomponiert. Die gedruckte Partitur von Kogel enthält sie nicht. Sie ist mit den gedruckten Orchesterstimmen bei Friedrich Hofmeister in
Leipzig erschienen.
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