Der Solala

[65] Ein dummer Kerl war Solala

Am liebsten voll des Weins,

Was draußen in der Welt geschah,

Das war ihm furchtbar eins.

Er lebte in den Tag hinein

Der Solala und pries den Wein.


Einst saß er in dem Schwanen gut,

Der edle Solala,

Und trank sich frischen Lebensmuth,

Gar lange saß er da.

Die Langeweile plagt' ihn sehr,

Da kam der Veitel Stern daher.


Wie geht's, wie steht's, Herr Solala?

Beginnt der Veitel Stern,

Gibt's was zu handeln? - "Handeln? Ja!

Was möchtest, Veitel, gern?

Die Hauptsach' ist, daß man was thut,

Das ist für Langeweile gut."


Ihr habt da schöne Kleider an,

Was wollt Ihr für den Rock?

"Den Rock - ich nicht entbehren kann,

Nein, eher noch den Stock.

Wie sollt' ich mich denn ausziehn, he?

Wenn ich heut Abend schlafen geh?"


Nun ja, den Stock! die lange Weil'

Vertreibt er Euch doch nicht,

"Ach nein, der Stock ist mir nicht feil.[66]

Da geht mir auf ein Licht:

Den Stock, den stellt man an die Wand,

Was thu ich dann mit meiner Hand?


Versteht sich. Aber Euer Hut?

Den laßt mir ohne Streit.

"Mein Hut, mein Hut? Das geht nicht gut.

Hör' an und sei gescheit:

Wenn der Herr Pfarrer mich erkennt,

Wie mach' ich ihm mein Compliment?"


Ei, habt ihr da nicht eine Uhr?

"Da muß ich bitten schon,

Die Uhr bekam ich, denk' Dir nur,

Zur Confirmation.

Da müßt' ich ja, nicht wahr, Herr Wirth?

Noch einmal werden confirmirt!"


Das Messer? "Wenn's mich nur nicht gar

Mit Vatern überwirft.

Er sagt, daß alle Vierteljahr

Ich ein's verlieren dürft'.

Wie kann ich es verlieren dann,

Wenn ich's nicht mehr einstecken kann?"


Jetzt weiß ich was! ruft Veitel Stern,

Was sind wir doch so dumm!

Geld hat von uns ein Jeder gern,

So handeln wir darum!

Ich bin reell, Ihr seid nicht knapp,

Ich kaufe Euer Geld Euch ab!


"Halloh, so schreit der Solala,

Das ist ein Handel fein,

Ob man schon so was Neues sah?[67]

Den Handel geh' ich ein.

Da, zähl' einmal! Eins, zwei, drei, vier -

Die Mühe überlaß' ich Dir!"


Zwei Thaler Münze, ohne Schnitt,

Natürlich! Wer was kauft,

Will auch ein Weniges Profit,

Getauft und Ungetauft.

"Natürlich, sagt der Solala,

Das weiß' ich, das versteht sich ja!"


Die ganze Hälfte biet' ich Euch,

Die Hälfte Euch zulieb,

Die Hälfte blank, baar und sogleich,

Ich bin kein Schuft, kein Dieb! -

Der Solala kratzt hinterm Ohr,

Der Vorschlag kommt ihm spanisch vor.


"Die Mutter sagt, man würde oft

Beim Handeln arg geprellt,

Man sei zu gut, und unverhofft

Verliere man sein Geld.

Auf's Bieten soll man bieten keck,

So käm' man noch am Besten weg."


Ich will Euch helfen, Veitel spricht,

Ich kenne ja den Brauch;

Den Werth des Geldes kennt Ihr nicht

"- Das sagt der Vater auch.

Ja, hilf Du mir und gib mir's an,

Denn Du, Du bist ein Handelsmann."


Herunterbieten müßt Ihr noch.

"Ja, so hab' ich's gehört.

Die Hälfte sag' ich also ... doch[68]

Bist Du dann nicht beschwert?

Die Hälfte Du, die Hälfte ich,

So ist der Handel meisterlich."


Die Hälfte von der Hälfte macht

Ein Viertel. Gut, schlagt ein! -

Der Veitel zieht zwei Thaler, lacht

Und zieht den Beutel sein,

Zahlt einen halben Thaler baar,

Und sagt: nun ist die Rechnung klar.


Der Solala mit leichtem Sinn

Sagt Veiteln gute Nacht;

Ein gut Geschäftchen immerhin

Sagt der, habt' Ihr gemacht.

Als Handelsmann besteht ihr da!

"Das sag' ich auch -" sagt Solala.


Sich selber hoch bewundernd schläft

Am Tisch der Edle ein,

Und träumt von seinem Geldgeschäft,

So schwierig, glatt und fein.

Dann steht er auf und sagt: Ja, ja,

Ich bin halt doch der Solala!


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 65-69.
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