Ein ander Lied

[128] Nun singt einmal und stimmt die Saiten

Zu einem Lied von besserm Klang!

Verrauschet sind die matten Zeiten,

Wo man nur Wein und Freude sang –

Wenn eine Welt zusammenfällt,

Klingt laut heran die neue Welt.


Wir sind geworden andre Zecher

In einem Wein von kühnerm Gischt,

Doch klirret an die alten Becher,

Daß sich der Klang bezaubernd mischt!

Ein alt Gefäß, ein neuer Kern!

Bis es zerschellt, hab ich es gern.


Wir werden schönre Becher finden

Von reinem Klang zum neuen Wein,

Wir werden bessre Formen gründen,

Die unser Kleinod schließen ein.

So singt, und stimmt die Saiten klar,

Einst wird die süße Hoffnung wahr!


Was heut im Trunk der Zecher leiste,

Und jedes herzgesungne Lied,

Es sei gebracht dem hohen Geiste,

Der nur für Lieb und Wahrheit glüht:

In diesen schwelgt der neue Ruhm,

Sie sind das beste Menschenthum!

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 128-129.
Lizenz:
Kategorien: