Hin

[185] Es braust der Zug, es donnern hin die Wagen

Durch öden Wald,

Des Dampfes volle weiße Wolken jagen –

Ich komme bald!


Wie seid ihr grünen sommerlichen Räume

Nun todt, entstellt!

In kalte Nebel tauchen Berg und Bäume,

Grau liegt die Welt.


Du harrest mein, du zählest die Sekunde,

Da ich erschein –

Entgegen zittre ich dem heißen Munde,

O süße Pein!
[185]

Kein lieblich Lüftchen soll erquicken dürfen

Mich wonniglich –

Nur deinen süßen Athem will ich schlürfen;

Er blüht für mich.


Mich grüßen keine Blumen und die Sonne

Sie grüßt mich nicht,

Es soll mir sein des Grußes erste Wonne

Dein Augenlicht.


An deinem Herzen werd ich heut erwarmen

Nach Götterschluß –

Ein Liebesfeuer strömt aus deinen Armen,

Aus deinem Kuß.


Rollt hin, rollt hin! es bringt mich nicht zur Stelle

Die träge Fahrt.

Ihr Wagen braust! ihr seid mir nicht zu schnelle;

Die Liebste harrt.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 185-186.
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