[268] Faust – Wagner – Mephistopheles als Schüler verkleidet, ein Buch unterm Arm. Wagner geht gleich wieder ab.
MEPHISTOPHELES sehr devot.
Ach hoher Herr! Berühmter Meister!
Magnifizenz und Exzellenz!
Gebieter aller starken Geister,
ich neig' mich euerer Potenz!
FAUST.
Ihr nehmt Euch hoch im Überschwang.
Ein Titel hat nicht viel Belang.
Sagt mir, wie ich Euch dienen kann?
MEPHISTOPHELES.
Mir dienen?! Solch erhab'ner Mann!?
Ihr spottet meiner, Herr. Zu dienen
kam ich und wäre hocherfreut,
wenn etwa Ihro Herrlichkeit
Das Buch überreichend.
dies Buch, das mir von Wert erschienen.
durchblättern wollte.[268]
FAUST hoch entzückt.
Was ich seh!
Der »clavis nigromanticae«,
nach dem ich überall gesucht.
MEPHISTOPHELES.
Ganz recht. Es steht darin verbucht,
der schwarzen Künste letztes Wort.
Wer jemals tief sich drein versenkt,
an gar nichts mehr gebunden hängt
als Herrscher über Zeit und Ort.
Es schrieben's, wie Euch wohlbekannt,
Don Runzifar und Radamant,
die zwei hispanischen Gelehrten,
die frei mit jedem Geist verkehrten.
FAUST.
O sagt, mein Freund, wie kam's Euch bei?
MEPHISTOPHELES.
In meines Vaters Bücherei
stand es verstaubt und ganz vergessen.
Da drang mir Euer Ruhm an's Ohr,
daß Ihr des höchsten Euch vermessen
in dieser Kunst. Ich sucht's hervor
und da ich selbst nur schwach gelehrt,
wohl kaum in seine Tiefen dränge,
so sei dem Meister es verehrt
auf daß das letzte ihm gelänge.
FAUST.
Ach, werter Freund! Ich bin entzückt!
Dies war es, was mir immer fehlte,
nach dem ich mich vergebens quälte!
Ihr habt auf's höchste mich beglückt!
Stößt die anderen Bücher weg.
Nun fort mit all' den Folianten,
die mich in Sklavenfesseln bannten!
Theologie, Philosophie
hinweg! Nur einzig die Magie
sei meine Gottheit. – Seht, ich eile,
den Schatz in meinen Bücherschragen,
wo niemand ihn entdeckt, zu tragen.
Ihr wartet wohl die kleine Weile.
Mit dem Buche ab.
[269]
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