Zwölftes Kapitel
Neue Probe von Freindlys Narrheit.

[119] Doch kehren wir zu unserer Geschichte zurück, die ein wenig stillgelegen hat, nun aber ihre Reise wieder antritt. Fireblood war das Werkzeug, das Wild sich zu seinem Entwurf ausersehen. Er hatte bei dem letzten Vorfalle die Talente dieses jungen Mannes genugsam erprobt. Er suchte ihn daher auf, teilte ihm seinen Plan mit, und nun beratschlagten sie sich, wie sie ihn wohl am besten ausführen könnten. Diesen Beratschlagungen zufolge schmiedeten sie eine förmliche species facti, übergaben sie einem von Hartfrees unerbittlichsten Gläubigern, und, als sie durch diesen vor einen Richter gebracht und von Fireblood beschworen war, fertigte man sogleich den Verhaftbefehl gegen Hartfree aus, der auch ohne Anstand ergriffen und vor den Richter gebracht wurde.

Die Helfershelfer der Gerechtigkeit fanden diesen Elenden in der Gesellschaft seiner Kinder, wovon das jüngste auf seinen Knien saß, während das andere in einer kleinen Entfernung mit Freindly spielte. Einer von den Gerichtsdienern, der ein guter Mann und vorzüglich sehr strenge in der Ausübung seiner Pflicht war, benachrichtigte Hartfree von seinem Auftrage und hieß ihn in des Teufels Namen mitkommen und die kleinen Bastarde – denn andres würden sie doch nicht sein – dem Kirchspiele zu überlassen. Hartfree war sehr betreten, als er hörte, daß man ihn eines Unterschleifes wegen einziehen wollte; aber sein Gesicht verriet doch weniger Bestürzung als Freindlys Gesicht. Als die älteste Tochter sah, daß der Gerichtsdiener Hand an ihren Vater legte, sprang sie auf von ihrem Spiele, lief auf ihn zu, brach in Tränen aus und rief: »Sie sollen meinem Vater nichts zuleide tun!« Das jüngste wollte einer von den Gaunern von seinen Knien wegreißen; aber Hartfree sprang auf, packte den Buben bei der Kehle und stieß seinen Kopf so fürchterlich gegen die Mauer, daß er sein Gehirn verloren haben würde, hätte er etwas zu verlieren gehabt.

Der andere Gerichtsdiener milderte seinen Eifer für die Gerechtigkeit durch eine Dosis von Klugheit, wie es diese Helden immer zu machen pflegen, die an einem Unglücklichen zum Ritter werden wollen. Als er daher sah, wie Hartfree seinen Spießgesellen behandelte, schritt er zu gelinderen Mitteln und bat Herrn Hartfree aufs höflichste, er möchte doch mit ihm gehen, denn er sei ein Gerichtsdiener und müsse seinen Verhaftbefehl exekutieren; sein Unglück täte ihm übrigens leid und er hoffe, man werde ihn freisprechen.[119] Hartfree erwiderte, er wolle sich gerne den Gesetzen seines Landes unterwerfen und gehen, wohin man ihn bringen würde. Dann nahm er von seinen Kindern mit einem Kuß Abschied und empfahl sie Freindlys Aufsicht, der sie auch wohlbehalten nach Hause zu bringen und ihm dann nach dem Hause des Richters nachzukommen versprach, dessen Namen und Wohnung er vom Constabel erfuhr.

Freindly kam gerade in dem Hause des Richters an, als dieser unsern Hartfree nach Newgate schaffen wollte; denn Firebloods Zeugnis war so klar und bündig und der Richter so aufgebracht und so fest von Hartfrees Schuld überzeugt, daß er kaum seine Verteidigung anhören wollte; auch wird der Leser dies eben nicht zu tadeln lieben, wenn wir ihn mit der ganzen Aussage bekannt machen. Der Zeuge brachte nämlich bei: Hartfree hätte ihn selbst mit dem Auftrage, alles zu retten, was möglich sei, an seine Frau geschickt; er sei in der Folge mit ihr und Wild in eben dem Gasthofe gewesen, wo sie eine Kutsche nach Harwich genommen; sie hätte ihn noch das Kästchen mit Juwelen gezeigt und ihn gebeten, ihrem Mann doch zu hinterbringen, daß sie seine Befehle pünktlich vollzogen. Ferner bekräftigen sowohl Wild als Fireblood mit einem Schwur, Mistreß Hartfree habe sich verschiedene Tage ins Wilds Hause verborgen gehalten, ehe sie die Reise nach Holland angetreten.

Als Freindly merkte, daß der Richter durch das, was er für Hartfree sagen konnte, gar nicht von seiner Meinung abzubringen war und daß sein Herr durchaus nach Newgate wandern mußte, beschloß er, ihn dahin zu begleiten. Sie kamen auch glücklich an, und der Schließer wollte Hartfree bei den gemeinsten Bösewichtern einsperren (er hatte nämlich kein Geld), aber Freindly setzte sich mit Hand und Fuß dagegen und gab jeden Schilling her, um seinem Freund eine eigene Stube zu verschaffen, und der Schließer, der eben kein Unmensch war, ließ sie ihm auch für einen billigen Preis.

Sie blieben den Tag über beisammen, und am Abend ließ der Gefangene seinen Freund nach Hause gehen und bat ihn, nachdem er ihm seinen wärmsten Dank zu erkennen gegeben, um seinetwillen nicht allzubesorgt zu sein. »Ich weiß zwar nicht«, sagte er, »wie weit die Bosheit meiner Feinde gehen wird; aber geschehe mir auch, was da will, der Lohn für meine Unschuld wird mir bleiben. Sollte mir daher das Schrecklichste begegnen, was mir nur begegnen kann (denn wer mit Meineidigen zu tun hat, muß immer das Schlimmste erwarten), so sei du meiner Kinder Vater.« Bei diesen Worten brach er in Tränen aus. Jener bat ihn, solchen Vermutungen[120] nicht Raum zu geben; er wenigstens wolle alles mögliche anwenden, ihm zu dienen, und er zweifle nicht, daß es ihm gelingen werde, seine Feinde zuschanden zu machen und der Welt seine Unschuld ebenso klar zu beweisen, wie sie ihm erwiesen sei.

Wir können nicht umhin, hier eines Umstandes zu gedenken, der dem Leser freilich sehr unnatürlich und unglaublich scheinen wird: daß nämlich die Beschuldigung des Unterschleifs allen Nachbarn Hartfrees so wahrscheinlich vorkam, daß viele unter ihnen ungeachtet seines ehemaligen Charakters geradezu behaupteten, sie hätten sich nichts besseres zu ihm versehen. Einige meinten, er könne füglich zwanzig Schillinge aufs Pfund bezahlen, wenn er nur wollte. Andere hatten ihn auf Winken ertappt, die ihnen einigen Verdacht gegeben hätten. Und was noch das wunderbarste ist, so erklärten ihn eben die, welche ihn sonst für einen kopflosen Phantasten gehalten hatten, nun mit eben der Dreistigkeit für den lästigsten, knickerigsten Gauner auf Gottes Erdboden.

Quelle:
-, S. 119-121.
Lizenz:
Kategorien: