Dreizehntes Kapitel
Etwas, das Fireblood betrifft und den Leser sehr überraschen wird; ferner eine Sache, die eine von den Miß Snaps angeht, worüber man sich sehr bekümmern wird.

[121] Ungeachtet aller dieser schiefen Urteile, unbeschadet seines großen Unglücks brachte Hartfree seine Zeit in Newgate dennoch ruhig und friedlich zu, während unser Held, der Ruhe nicht achtend, keine Nacht schlief. Teils ließ ihn die Besorgnis, Mistreß Hartfree möchte vor der Entwicklung seiner Pläne zurückkommen, nicht schlafen, teils fürchtete er, Fireblood könne ihn verraten, von dessen Treulosigkeit er jedoch keinen anderen Beweis hatte, als daß er ihn als einen vollendeten Schurken, ist zu sagen als einen großen Mann, kannte.

Die Wahrheit zu sagen, so war dieser Verdacht auch nicht ohne allen Grund; denn unglücklicherweise fiel es diesem edlen jungen Manne bei, ob er nicht besser täte, wenn er sich der Gegenpartei verkaufte, da er noch keine ausdrücklichen Versprechungen von Wild hatte. Doch darüber beruhigte ihn unser Held am folgenden Morgen, indem er ihm die größten Versprechungen von der Welt tat, die Fireblood auch mit so vielen Versicherungen seiner Treue[121] erwiderte, daß Wild um ein Großes in seinem Verdacht bestärkt wurde.

Um diese Zeit ereignete sich ein Umstand, der unsern Helden zwar nicht selbst betraf, den wir aber doch nicht außer acht lassen können, weil er sowohl in der Wildschen wie Snapschen Familie viel Unordnung und Verwirrung anrichtete. Es war ein Unglück, das man nicht genugsam beweinen kann, wenn es ein ehrliches Haus trifft und ein fleckenloses Blut verunreinigt; eine Schande, die nie abgewaschen werden kann; ein Geschwür, das nimmer heilet – kurz, um meinen Leser nicht länger aufzuhalten: Miß Theodosia ward von einem Wohlgestalten Knäblein entbunden, und zwar war dies die Frucht des verliebten Umgangs, den diese schöne (oh, daß ich sagen könnte tugendhafte) Person mit dem Grafen gepflogen.

Herr Wild und seine Frau saßen eben beim Frühstück, als Herr Snap ihnen diese melancholische Neuigkeit mit allen Zeichen der Verzweiflung in seinem Gesichte und in seiner Stimme brachte. Unser Held, der, wie schon bemerkt, einen großen Fond von Gutmütigkeit hatte, wenn seine Größe oder sein Interesse nicht mit im Spiele war, fragte lächelnd, wer der Vater sei? Aber ganz anders nahm dies die keusche Lätitia – wir sagen mit Recht die keusche, denn für jetzt verdiente sie dieses Beiwort – ganz anders nahm dies die keusche Lätitia auf. Sie geriet in die entsetzlichste Wut, machte ihre Schwester ganz erbärmlich herunter und gelobte feierlich, sie niemals wieder zu sehen, noch zu sprechen. Dann brach sie in Tränen aus und beklagte ihren Vater, daß er solche Schande in seiner Familie erleben müßte. Zuletzt warf sie es ihrem Manne aufs bitterste vor, daß er so etwas auf die leichte Achsel nehme. Sie sagte, er verdiene es nicht, daß er ein Weib aus einer keuschen Familie geheiratet hätte. Sie sehe dies als eine Beschimpfung ihrer Tugend an. Er hätte sich nicht anders benehmen können, wenn er ein gemeines Gassenmensch geheiratet hätte. Zuletzt bat sie ihren Vater, er möchte doch ein Exempel statuieren und das liederliche Geschöpf aus dem Hause stoßen; sonst käme sie nicht wieder über seine Schwelle; denn sie verabscheute die Metze nur um so mehr, weil sie das Unglück hätte, ihre Schwester zu sein.

Der Tugendeifer dieser keuschen Dame war so heftig und gewaltsam, daß sie ihrer Schwester auch nicht einen Fehltritt (den einzigen, den sie je getan) vergeben wollte, und doch liebte diese Schwester sie aufs zärtlichste und hatte ihr manchen Gefallen erwiesen.

Vielleicht hätte die Strenge Herrn Snaps, der übrigens jeden Schimpf, der die Familie betraf, aufs lebhafteste fühlte, etwas nachgelassen,[122] wären die Beamten des Kirchspiels bei dieser Gelegenheit nicht etwas voreilig gewesen und hätten sie die junge Dame nicht an einen Ort gebracht, dessen Namen wir aus Achtung für eine Familie, mit welcher unser Held so nahe verwandt war, in ewige Vergessenheit begraben. Hier mußte sie für ein Verbrechen büßen, daß man entweder – mit allem Respekt für die keusche Lätitia und andere überkeusche Damen sei es gesagt – an keinem Frauenzimmer so hart, oder wenigstens an dem Verführer noch härter ahnden müßte.

Doch kehren wir zu unserem Helden zurück, der ein lebendiges Beispiel war, daß Größe und Glückseligkeit nicht immer beisammen sind. Er schwebte beständig zwischen Furcht, Argwohn und Eifersucht. Er glaubte, jeder Mensch, den er nur sehe, habe ein Messer für seine Kehle oder eine Schere für seine Börse bei der Hand. Was seine eigene Bande anbetraf, so war er fest überzeugt, daß es keinen einzigen in derselben gebe, der ihn für fünf Schillinge nicht mit tausend Freuden an den Galgen bringen würde. Diese beständige Furcht jagte allen Schlummer von seinen Augen und hielt ihn beständig auf seiner Hut, um jeden Plan zu vereiteln, den man etwa gegen ihn legen möchte; so daß sein Zustand jedem, den Ruhm- und Ehrsucht nicht verblendeten, eher beweinens-, als beneidenswert scheinen mußte.

Quelle:
-, S. 121-123.
Lizenz:
Kategorien: