Neuntes Kapitel
Wild macht Miß Lätitia Snap einen Besuch. Beschreibung dieser jungen liebenswürdigen Kreatur. Glücklicher Erfolg von Herrn Wilds Galanterie.

[29] Als unser Held am folgenden Tage aufstand, fiel es ihm ein, der Miß Lätitia Snap einen Besuch abzustatten. So viele Verdienste und Edelmut diese junge Dame auch besaß, so hatte Herr Wild doch bereits die Bemerkung gemacht, daß er ihr in Begleitung eines kleinen Geschenks immer am willkommensten war, das sie freilich nur als ein Zeichen der Ehrfurcht bei ihrem Liebhaber ansah. Er ging daher geradeswegs in einen Galanterieladen und kaufte eine artige Schnupftabaksdose, womit er denn seiner Geliebten aufwartete, die er in dem niedlichsten Negligé antraf. Ihr schönes Haar, noch halb voll Puder, floß üppig um ihre Stirne; eine nette Schlafhaube, die sie erst einige Wochen getragen, war unter ihrem Kinn in eine Schleife gebunden; auf ihren Wangen schimmerte[29] ein kleiner Überrest derjenigen Kunst, wodurch die Damen der Natur zu Hilfe kamen; der schlanke Körperbau war in kein Schnürleib eingezwängt, so daß ihr Busen völlige Freiheit hatte, seine schönen Halbkugeln bis zum Gürtel herab auszubreiten; ein dünnes Halstuch von Musselin verbarg sie fast dem spähenden Auge, außer an einigen Stellen, wo ein gutmütiges Loch ihnen Gelegenheit gab, sich zu produzieren. Ihr Oberkleid war von weißlichem Atlas mit kleinen silbernen Blumen, die so künstlich und verworren durcheinander gewebt waren, als ob das Ungefähr sie dahingeworfen. Wenn sich dies ein wenig öffnete, entdeckte man einen feinen gelben Unterrock mit einem Stück Goldspitzen garniert, das jetzt aber beinahe zu Fransen geworden war, und unter diesem blickte noch ein anderer Rock hervor, den man gewöhnlich eine Bouffante nennt und welcher wenigstens sechs Zoll tiefer auf der Erde hing, als der erstere; und ganz zuletzt ließ sich noch ein Dito sehen, und zwar von der Farbe, auf die Ovid deutet, wenn er sagt: »Was vormals weiß war, ist jetzt beinahe das Gegenteil geworden.« Auch streckte sie zwei niedliche Füßchen hervor, mit Seide bedeckt und mit Spitzen geziert, das rechte mit einem hübschen blauen Band umwunden; aber das bei weitem unwürdigere linke hatte sie bloß mit einem gelben Stück Zeug zugebunden, das ehedem vermutlich eine Strippe von einem Kamisol gewesen.

Dies ist das Porträt der liebenswürdigen Kreatur, welcher Herr Wild nun seine Aufwartung machte. Sie nahm ihn anfangs mit einer Kälte und Zurückhaltung auf, wie sie Damen von strenger Tugend, so sauer es ihnen auch wird, meistenteils gegen ihre Liebhaber affektieren, die artige Schnupftabaksdose ward das erstemal höflich und mit vieler Politesse ausgeschlagen, doch auf erneuertes Ansuchen gefälligst angenommen. Nun ließ man die Teetafel servieren, und die Unterhaltung, die hier vorfiel, würde gewiß sehr erbaulich und angenehm für den Leser sein. Schade nur, daß wir sie nicht Wort für Wort niederschreiben können; genug, der Witz und die Schönheit dieser jungen Dame setzten unsern Wild so in Feuer, daß er sich, so ehrlich er es auch übrigens mit ihr meinte, einige Freiheiten erlaubte, die für die strenge Keuschheit seiner Gebieterin ein wenig zu beleidigend waren; die Wahrheit zu sagen, so verdankte es die gute Miß Lätitia mehr ihrer eignen Stärke als der ehrfurchtsvollen Bescheidenheit ihres Liebhabers, wenn ihre Tugend für diesmal nicht scheiterte. Er war in der Tat so dringend, daß, wenn er ihr nicht mit tausend Eidesschwüren die Ehe versprochen, wir auf keine Weise hätten behaupten können, daß er es ehrlich[30] mit ihr meinte; aber er hielt sich so genau an die Regeln der guten Lebensart, daß er keiner jungen Dame ohne Versprechungen dieser Art Gewalt antat; denn er meinte, das sei eine Zeremonie, die man der weiblichen Sittsamkeit schuldig wäre und die im Grunde so wenig kostete, daß nur ein äußerst brutaler Mensch sie übergehen und außer acht lassen könnte. Die liebenswürdige Lätitia, mochte es nun Klugheit oder Religion sein, von der sie eine große Verehrerin war, blieb taub bei allen seinen Versprechungen und unüberwindlich trotz aller seiner Stärke. Denn verstand sie gleich nicht die große Kunst, ihre geballte Faust zu gebrauchen, so hatte die Natur sie doch nicht ganz wehrlos gelassen. Sie trug nämlich an den Fingerspitzen gewisse Waffen, die sie mit so einer wunderbaren Geschicklichkeit zu applizieren wußte, daß Herrn Wilds heißes Blut an einigen Stellen auf seinem Gesichte zum Vorschein kam und seine hochroten Wangen demjenigen Gliede eines Knaben glichen, an welchem der Schulmeister sein großes Talent geübt hat und das die Sittsamkeit nirgendswo, außer in einer öffentlichen Schule, vorzuzeigen erlaubt. Wild zog sich nun aus dem Kampfe zurück, und die siegreiche Lätitia rief im Triumph und mit einem edlen Unwillen aus: »Hole Sie der Teufel! Ist dies Ihre Methode, Ihre Zärtlichkeit an den Tag zu legen? Bei meiner Seele – Sie sollen schön ankommen!«

Denn erhob sie ein großes Gerede von ihrer Tugend, mit der Wild sie zum Teufel gehen hieß, indem er sich auf und davon machte.

Quelle:
-, S. 29-31.
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