Sechstes Kapitel
Worin die zuvor geschilderte glückliche Begebenheit erklärt wird.

[144] Bin ich gleich überzeugt, daß mein gutmütiger Leser ebenfalls den Beistand des Wundarztes vonnöten haben möchte; weiß ich gleich, daß keine Stelle dieser Geschichte ihm so viel Vergnügen zu gewähren imstande ist, als der obige Vorfall, so muß ich ihm doch zeigen, daß diese Katastrophe wenigstens ebenso natürlich wie angenehm ist; denn lieber möchte ich das halbe Menschengeschlecht an den Galgen gebracht als einen einzigen Menschen den Regeln der Geschichte und der Wahrscheinlichkeit zum Trotz gerettet haben.

Zu wissen denn (und dies scheint mir sehr glaublich), daß der große Fireblood einige Tage zuvor auf einem Diebstahl ertappt und vor eben den Friedensrichter gebracht worden war, der auf seine Aussage hin unsern Hartfree hatte festnehmen lassen. Dieser Richter machte seinem Stande Ehre und hatte einen hohen Begriff von dem Geschäfte, das ihm aufgetragen war, vermöge dessen das Leben, die Freiheit und das Eigentum seiner Mitbürger von seiner Entscheidung abhing; er untersuchte daher alles mit der größten Aufmerksamkeit, und seinem Scharfblick entging auch nicht der kleinste Umstand. Weil ihn schon das gute Zeugnis irre gemacht, das Freindly und die Magd für den Charakter des Herrn ablegten, als er zum ersten Male verhört wurde, so ward er noch um so mehr in seinem Verdachte bestärkt, als er fand, daß einer von den beiden Leuten, auf deren Aussage Hartfree eingezogen worden war, wegen einer Spitzbüberei in Newgate saß und der andere jetzt eines Diebstahls wegen vor ihn gebracht wurde; er beschloß daher, Fireblood die Sache ernstlich vorzustellen. Der junge Achates war, wie oben gedacht, auf der Tat selbst ergriffen worden, so daß er sah, alles Leugnen würde vergebens sein. Er bekannte daher ohne Rückhalt, was doch schon erwiesen war, und bat, man möchte ihn als Zeugen gegen seinen Mitschuldigen zulassen. Dies gab dem Richter die bequemste Gelegenheit, sein Gewissen in Rücksicht Hartfrees zu beruhigen. Er sagte Fireblood, wenn er (der Richter) ihm seine[144] Bitte gewähre, so geschähe es nur unter einer Bedingung: daß er die reine Wahrheit über ein Zeugnis sagte, das er neulich gegen einen Bankerottierer abgelegt und an dessen Richtigkeit ihn einige Umstände zweifeln ließen; er könne sich übrigens darauf verlassen, daß die Wahrheit doch an den Tag kommen würde; auch ließ er ein Wort fallen, Wild habe sich bereits zum Geständnis erboten. Wilds Name war allein hinlänglich, Fireblood zu beunruhigen; denn er zweifelte gar nicht an der Bereitwilligkeit dieses großen Mannes, jeden von der Bande an den Galgen zu bringen, sobald es sein Interesse erforderte. Er stand daher keinen Augenblick an, und nachdem der Richter ihm versprochen, er wolle ihn als einen Zeugen gegen seinen Mitschuldigen zulassen, entdeckte er die ganze Betrügerei und erklärte, Wild habe ihn zu einem falschen Zeugnis verführt. Als der Richter nun dies ganze Gewebe von Bosheit so glücklich und so recht zur gehörigen Zeit entdeckt hatte, verlor er keinen Augenblick, die Sache des unglücklichen Beklagten dem Könige vorzustellen, der auch sogleich jene Frist bewilligte, die Hartfree und seinen Freunden solch ein Entzücken verursachte und von der wir jetzt hoffentlich hinlängliche Rechenschaft gegeben haben. Der gute Richter hielt es jetzt für schicklich, unsern Hartfree im Gefängnisse zu besuchen, um der ganzen Sache noch tiefer auf den Grund zu kommen, damit Hartfree so bald als möglich auf freien Fuß kommen möchte, wenn er wirklich so unschuldig wäre, als er ihn glaubte.

Den Tag nachher ging er also nach Newgate, wo er auch Hartfree, seine Frau und Freindly vorfand. Er benachrichtigte Hartfree von Firebloods Aussage und von den Schritten, die er unmittelbar darauf getan habe. Der Leser wird sich leicht vorstellen können, wie feurig ihm die Geretteten dankten; aber dies kam bei ihm gegen die innere Zufriedenheit nicht in Betracht, welche ihm die Vorstellung gewährte, daß er eine Unschuld vom Verderben gerettet, wie es hier der Fall war.

Als er in die Stube trat, sprach Mistreß Hartfree eben mit vieler Wärme. Weil er nun merkte, daß er sie unterbrochen hätte, bat er sie, ihre Unterredung fortzusetzen, sonst sehe er sich genötigt, auf der Stelle fortzugehen. Doch dies wollte Hartfree nicht zugeben. Er sagte, seine Frau habe eben einige Begebenheiten erzählt, die ihm vielleicht Vergnügen gewähren würden und die er um so eher anhören könnte, da sie ihm vielleicht einiges Licht über den wahren Zusammenhang der ganzen Betrügerei geben würden.

Der Richter ließ sich dies gerne gefallen, und Mistreß Hartfree fing ihre Erzählung mit der Periode an, in welcher ihr Mann seine[145] Bekanntschaft mit Wild erneuert hatte. Doch so viel Unterhaltung dies dem Richter auch gewähren mochte, so kann es unserem Leser durchaus nicht anders als langweilig sein. Wir überhüpfen daher alles, was wir schon wissen und erzählen nur, was ihr seit der Zeit begegnet war, als Wild vom französischen Freibeuter dem Wind und den Wellen preisgegeben worden.

Quelle:
-, S. 144-146.
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