Sechstes Kapitel
Von Hüten.

[68] Wild hatte sich nun eine ansehnliche Bande zugelegt, die meistenteils aus ruinierten Spielern, bankerotten Kaufleuten, müßigen Lehrburschen, aus Schreibern bei Advokaten und jungen Taugenichtsen bestand, die, ohne Glücksgüter geboren, zu keinem Metier aufgezogen, ohne zu arbeiten gut leben wollten. Da diese Leute verschiedene Grundsätze, d. i. verschiedene Hüte hatten, so erhoben sich häufige Streitigkeiten unter ihnen. Eigentlich gab es zwei Parteien unter ihnen, nämlich diejenigen, die ihre Hüte keck aufstutzten, und die, welche einen runden Hut trugen und den Rand über die Nase zogen. Erstere nannten sich Kavaliere, die letzteren aber Rundhüte. Diese beiden Parteien lagen sich einander immer in den Haaren und glaubten am Ende, es gäbe einen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen und ihr wechselseitiges Interesse ließe sich gar nicht vereinigen, da die einzige Verschiedenheit doch nur im Schnitte ihrer Hüte bestand. Wild berief sie daher den Abend nach Fierces Hinrichtung in ein Bierhaus, und als er aus ihrem Betragen die deutlichsten Zeichen eines Mißverständnisses vermerkte, redete er sie folgendermaßen an: »Meine Herren! Ich schäme mich in der Seele, Leute unter sich selbst uneins zu sehen, die sich doch zu dem großen und ehrenvollen Geschäft, das Publikum zu plündern, verbunden haben. Glauben Sie wirklich, die ersten Erfinder der Hüte oder ihrer verschiedenen Schnitte wären[68] der Meinung gewesen, eine Form könne einen Menschen zum Gottesgelehrten, die andre zum Rechtsverständigen, die dritte zum Arzt machen, oder die vierte ihn wohl gar mit Mut und Tapferkeit beseelen? Nein – durch diese äußeren Zeichen wollten sie bloß dem Pöbel eine Nase drehen und große Männer der Mühe überheben, sich die zu ihrem Beruf erforderlichen Eigenschaften zu erwerben, indem sie sich nur herablassen dürfen, die Larve oder das Gewand derselben zu tragen. Es ist daher sehr weislich, wenn Sie, meine Herren, in öffentlichen Gesellschaften den Janhagel mit Ihrem Zwist über solche Kleinigkeiten amüsieren, damit Sie ihm desto bequemer die Taschen ausräumen können, währenddessen er mit offenem Munde auf Ihren Gallimathias hört; aber – nehmen Sie die Sache wirklich ernstlich und können Sie auch zwischen diesen vier Wänden so einen lächerlichen Streit fortsetzen, so muß ich Ihnen sagen, daß dies ein wenig nach Narrheit und Aberwitz schmeckt. Wissen Sie doch, daß Sie insgesamt Ritter von der Industrie sind: was für einen Vorzug kann denn ein runder oder spitzer Hut einem vor dem andern geben? Ist ein Beutelschneider weniger ein Beutelschneider, wenn er einen breiten Rand trägt? Wäre auch das Publikum schwach genug, sich für diese Streitigkeiten zu interessieren und eine Partei der andern vorzuziehn, währenddessen alle beide nach seinen Börsen trachten, so müssen Sie über die Torheit lachen, aber sie um Gottes willen nicht nachahmen. Wie lächerlich für Sie, über Ihre Hüte Hader und Streit zu beginnen, da kein einziger unter Ihnen ist, dessen Hut einen Pfennig wert sein kann! Wozu braucht man seinen Hut anders, als sich den Kopf warm zu halten oder seine kahle Platte vor dem Publikum zu verstecken? Bei Männern von Stande ist es Sitte, seinen Hut bei jeder Gelegenheit zu rücken, und am Hofe oder in den Assembleen des Adels trägt man nicht einmal einen Hut. Lassen Sie mich daher kein Wort mehr von diesem kindischen Zwist hören, sondern stoßen Sie hübsch Ihre Hüte zusammen und bedenken Sie, daß das der beste Hut sei, der die meiste Beute faßt.«

Hier endigte er seine Rede, die von lautem Beifall begleitet wurde, und augenblicklich stießen sie alle ihre Hüte zusammen, wie er befohlen hatte.[69]

Quelle:
-, S. 68-70.
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