Siebentes Kapitel
Folgen von Wilds Abenteuer mit Hartfree, allen armseligen Geschöpfen zur Warnung, die sich mit großen Männern abgeben; nebst einigen Kopien von Briefen, die jedem zum Muster dienen können, der einen unverschämten Gläubiger abzuweisen hat.

[70] Kehren wir jetzt zu Hartfree zurück! Ihm wurde der Wechsel des Grafen, den er fortgegeben hatte, mit Protest und mit der Nachricht wiedergeschickt, der ihn ausgestellt, sei nirgends zu finden, auch hätte man nach genauerer Untersuchung vernommen, daß er davon gelaufen wäre; folglich verlange man das Geld jetzt von Hartfree. Die Aussicht auf so einen Verlust würde jeden Geschäftsmann erschreckt haben; um so mehr einen, dessen unvermeidlicher Ruin damit verbunden war. Auch äußerte Hartfree bei dieser Gelegenheit so viel Angst und Bestürzung, daß der Eigentümer des Wechsels einen großen Schreck hatte und den Entschluß faßte, eilig und schleunig alles zu sichern, was sich nur sichern ließe. Herr Snap erhielt also noch denselben Nachmittag den Auftrag, unserm Hartfree eine Visite zu machen; dies tat er denn auch mit den gewöhnlichen Formalitäten und schleppte ihn mit sich in seine Behausung.

Kaum hörte Mistreß Hartfree das harte Schicksal ihres Mannes, so wütete sie wie eine Rasende. Aber als der erste Sturm der Leidenschaft sich durch Tränen und Klagen Luft gemacht hatte, dachte sie auf alle möglichen Mittel, ihrem Mann wieder zu seiner Freiheit zu verhelfen. Sie eilte zu ihrer Nachbarin, um sie dahin zu vermögen, für ihren Mann Bürgen zu werden. Weil sich aber die unglückliche Neuigkeit schon überall ausgebreitet hatte, so fand sie keinen von ihnen zu Hause, außer einem ehrlichen Quäker, dessen Domestiken nicht lügen durften. Indessen glückte es ihr bei ihm um kein Haar besser; denn unglücklicherweise hatte er eben den Tag zuvor aufs heiligste versichert, daß er sich für keine Seele verbürgen wollte.

Nach vielen fruchtlosen Versuchen dieser Art verfügte sie sich endlich zu ihrem Mann, um ihn wenigstens durch ihre Gegenwart zu trösten. Sie fand ihn, wie er eben einige Briefe zusiegelte, die er an seine Freunde und an seine Schuldner abschicken wollte. Ein Strahl von Freude funkelte in seinen Augen, als er sie erblickte; dies aber war nicht von langer Dauer, und er konnte nicht umhin, seine[70] zärtliche Besorgnis für ihr Schicksal und für das Schicksal ihrer kleinen Familie zu äußern. Ihrerseits tat sie alles mögliche, ihn zu beruhigen, ihm seinen Verlust nicht allein in einem erträglichen Lichte vorzustellen, sondern auch die Hoffnung in ihm rege zu machen, daß der Graf vielleicht nur aufs Land gegangen sei. Auch verwies sie ihn auf seine Freunde, die ihn gewiß nicht stecken lassen würden; vorzüglich, da er einigen von ihnen auf gleiche Weise gedient hatte. Zuletzt beschwor sie ihn bei aller seiner Liebe zu ihr, nur seine Gesundheit, worauf ihre ganze Glückseligkeit beruhte, nicht durch allzugroßen Kummer in Gefahr zu setzen, und versicherte ihn, kein Zustand würde ihr an seiner Seite unglücklich scheinen, falls er ihn nicht durch Unmut und Mißvergnügen unglücklich für sie machte. So bemühte sich dieses schwache armselige Weib, den Schmerz ihres Mannes zu lindern, den sie doch eigentlich hätte vergrößern sollen. Die Törin! Warum malte sie ihm sein Elend nicht mit den lebhaftesten Farben? Warum warf sie ihm nicht hübsch seine Narrheit und sein übel angebrachtes Zutrauen vor, die es veranlaßt hatten? Warum bejammerte sie nicht ihr eignes trauriges Schicksal, das ihr die Verbindlichkeit auflegte, seine Leiden mit ihm zu teilen?

Hartfree nahm die sogenannte Güte seines Weibes mit dem wärmsten Danke auf, und sie brachten eine Stunde nebeneinander zu, worin aber nichts als Armseligkeiten vorfielen, die wir unserm großen Leser mit Recht vorenthalten, da sie nur das Schwache und Lächerliche der menschlichen Natur ins Licht zu setzen dienen.

Nun kamen die Boten mit der Antwort auf seine Briefe zurück. Wir wollen hier einige Kopien davon einrücken, da sie manchem zum Muster dienen können, der sich in der so gewöhnlichen Verlegenheit befindet, die Unverschämtheit eines Gläubigers abweisen zu müssen.


Erster Brief

Herr Hartfree!

Mein Herr befiehlt mir, Ihnen zu sagen, daß er sich höchlich über Ihre Unverschämtheit, Geld zu fordern, wundert, da er Ihnen erst so kurze Zeit schuldig ist. Indessen, da er nicht länger mit Ihnen handeln will, so hat er mir befohlen, Ihre Rechnung zu bezahlen, sobald ich nur bei Kasse sein werde, und damit möchte es wohl noch eine Weile Anstand haben, angesehen ich in diesen Tagen große Auszahlungen gehabt. Ich bin

Ihr ergebener Diener

Roger Morkraft.[71]


Zweiter Brief

Lieber Herr!

Freilich haben Sie recht, daß ich schon drei Jahre in Ihrer Schuld bin, aber es ist mir heute bei meiner Seele nicht möglich, Ihnen einen Heller zu bezahlen, doch hoffe ich bald imstande zu sein, nicht allein diese Kleinigkeit abzumachen, sondern auch noch beträchtliche Summen zu verdienen zu geben. Übrigens hoffe ich, dieser kleine Aufschub werde Ihnen keine Ungelegenheiten verursachen.

Ihr wahrer Freund und gehorsamer Diener

Carl Courtli.


Dritter Brief

Herr Hartfree!

Haben Sie doch die Güte, meinem Manne nichts von meiner Schuld zu sagen! Ich weiß, Sie sind ein sehr gutmütiger Mann, und darum will ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Er gab mir das Geld schon vor langer Zeit – ich hatte aber das Unglück, es im Spiele zu verlieren. Seien Sie versichert, daß ich bei der ersten Gelegenheit an Sie denken werde.

Ich bin Ihre gehorsame Dienerin

Catherine Rubbers.

Machen Sie doch Mistreß Hartfree meine Empfehlung!


Vierter Brief

Mein Herr!

Dero Geehrtes habe empfangen, aber was die verlangte Summe anbetrifft, so kann ich jetzt nicht dienen.

Ihr ergebener

Peter Pounce.


Fünfter Brief

Mein Herr!

Es tut mir außerordentlich leid, daß ich Ihrem Verlangen für jetzt kein Genüge leisten kann, vorzüglich bei allen den Verpflichtungen, die Sie mir auferlegt und die ich zeitlebens mit dem dankbarsten Herzen erkennen werde. Ihr Unglück geht mir sehr zu Herzen, und ich würde Ihnen persönlich aufgewartet haben, wenn ich nicht ein wenig unpaß wäre und überdem nicht noch diesen Abend nach Vauxhall gehen müßte. Ich bin

Ihr ergebener Diener

Carl Eas.

Dero Frau Liebste und werten Kinder befinden sich doch wohl?[72]


Es liefen noch mehrere Briefe in eben dem Stile ein; aber wir wollen unserm Leser nur so viel zur Probe geben. Der letzte war unserm Hartfree bei weitem der schmerzlichste; denn er kam von einem Manne, dem er eine beträchtliche Summe geliehen hatte, als er in Verlegenheit steckte, und von dessen glücklichen Umständen er jetzt vollkommen unterrichtet war.

Quelle:
-, S. 70-73.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon