Der Text der Einsatzung des H. Abendmals

[815] wie jhn die Evangelisten Matth. 24., Marc. 14., Luc. 22. vnd S. Paul

1. Cor. 11. beschrieben, sammt der prüfung vnd vorbereitung darzu, kurtz in Reimen begriffen.


1.

Hört jr, die Christ einn heiland schätzt,

wie er sein letzsten will einsetzt:

In d' nacht, da Christ vnser Herr

verraten ward, da nam auch er

Das brot vnd dancket eh ers brach,

gabs seinen Jüngern drauff vnnd sprach

›Nemmt hin, esset; mein leib ist dis,

der fur euch wird gegebē gwis,

Solches zu meiner gdächtnus thut

vnn dem das ich euch that zu gut.‹


2.

Desgleichen nach dem Abendmal

nam er den kelch, danckt abermal,

Vnn gab jhn den, vnd sprach darbei

›nemmt hin, trinckt all daraus auffs neu:

Der kelch ist das neu Testament,

in meinem blut allein vollendt

Welches fur euch vergossen wurd

zu vergebung der sünden burd,

Vnd solches thut, so offt jrs trinckt,

zur gdächtnuß mein, draus glaub entspringt.‹


3.

Dan so offt jr eßt von dem brot

vnn trinckt von disem kelch zur not

Solt jr verkünden des HERRN tod,

bis er kommt zu gericht vnd gnod.

Wer nun vnwirdig vom brot isst

oder vom kelch des HERREN guißt

Ist schuldig ans HERRN leib vnd blut,

darumm notwendig ist vnd gut

Das sich der mensch vor prüf, ermeß

vnd dan von disem brot erst eß.


4.

Vnd so er wol sein hertz erfärt,

trinck dan vom Kelch, den er begert,

Dan wers vnwirdig trinckt vnn ißt

jm zum gericht selbs solchs genißt,

Damit das er nit vnderscheid

den leib des Herrn aus sicherheit,

Vnd drumm strafft Got offt die gemeind,

wan sie darin farlässig seind:

Derhalb thut bus vnd glaubt Gots wort,

tödt den neid, dann der ist ein mord.


5.

Wer aber wirdig solchs genis

vnd wie mans gwissen prüfen müs,

Der merck, ob er fül ein recht bus,

sein sünd erkenn, hab drab verdrus

Vnd heiliglich vorthin beger

zu leben nach Gots willen, er

Leg ab all neid vnd widerwill,

leb mit seim Nechsten einig still,

Dā heuchlisch vnbusfärtig leut

seind Got ein greuel jder zeit.


6.

Vor allem aber er bedenck,

ob recht all sein vertrauen henck

Allein in Gots barmhertzigkeit,

vnd nirgend such sein seligkeit

Als nur in Jesu Christ allein,

in seiner Marter, Tod vnd pein,

Glaub dem wort welchs man jm verkünd

›für euch zu vergebung d' sünd‹,

Dan dis wort, welches laut ›für euch‹,

erfordert gläubig hertzen gleich.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 815.
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