Das Siben und fůnfftzigst Capitel.
Innhaltend ein Knochenknorrig, Scrupescirphisch und Gewülckwickelig Rhäterisch Rätzel nach Warsagerischer einflecht, inn worten schlecht, unnd im sinn recht, das errätzelet und errhatet recht, ehe ihr das end gar secht.

[421] Ihr Armen Menschen, die stets harren

Auff glücklich zeit, wan die komm gefahrn,

Erhebt nun euer girig gmüter,

Und hört mir zu, was ich euch fider,

Das ist, was ich euch jetz dictier

Mit der Feder auff diß Papyr.

Wan man soll für gewiß gantz glauben

Daß Menschlich sinn so hoch sich schrauben

Daß sie auß dem Gestirn dort oben

Oder auß viln vorgangnen Proben

Mögen was zukönfftigs vorsagen

Von dem, was sich hie werd zutragen:

So geb ich zuverstehn nun euch,

Daß eben jetz den Winter gleich,

Ja eben hie inn disem Land

Da du nun stehst und ich nun stand

Auffkommen werd ein art von Leuten,

Die also wird Frau Unrhu reuten,

Daß sie kein Rhu nicht werden haben,

Sonder ungscheucht herumbher traben

Bei hellem tag, und sich bemühen

Allerley Standes Leut zuziehen

Auff ihr weiß zu Rotten und Trennung,

Zu streitig Partheischer meynung.

Ja welche ihnen geben werden

Gehör und glauben, wie sie bgerten,

Die werden sie gleich, ungeacht,

Es kost gleich gelt, gut oder Macht,

Bringen dahin, daß die Verwandten

Und besten Freund, on scheu all schanden

Werden gantz trotziglicher massen

In offnem streit sich ein da lassen:[422]

Ja kein schand werden die Sön schätzen

Sich dem Vatter zuwidersetzen.

Auch werden die von Hohem Stammen

Erfahren, daß sich thun zusammen

Wider sie ihre Underthanen

Und gegen sie sich starck auffmanen.

Alsdan wird sein inn solcher Wütung

Kein unterscheid der Ehrerbietung.

Dan ein jeder wird alsdan sagen,

Jeder soll umb das sein sich wagen,

Man machets hie keim anderst nit,

Was der ein stoßt, der ander tritt,

Man hebt es auff nach dem es fallt.

Und wer dann nicht mehr solcher gstalt

Bestehn mag, der mag dan außstehn,

Und darnach wider herbei gehn,

Und sich versuchen auff all Weg

Daß er die schand einbringen mög.

Hierüber wird sich dan begeben

Ein solches auff und ab da schweben,

Ein solches hin und wider lauffen,

Ein solches keuchen schwitzen, schnauffen,

Daß dergleichen Auffrhur, Erregung,

Und widerspänstig Widerlegung

Kein History nie hat gemeldt

So wunderlich wird sein die Welt.

Bald wird man auch erfahren dan

Daß mancher feiner küner Man

Durch sein jung Gmüt und hitzig Gblüt

Verreitzt, darin also verwüt

Daß er sehr kurtz darvon wird sterben

Wan er noch ist im Mitteln werben.

Auch wird keiner von disem Werck

Daran er einmal setzt sein stärck

Ablassen, er hab dan zuvor

Getriben ein selsam Rumor,

Und lang gewüt und lang gewült,

Alles mit Neid und Streit erfüllt,

Den Himmel auch mit Gschrei zun Nöten,[423]

Die Erd mit Tritten undertretten.

Alsdan werden zur selben zeit

Gleich so vil gelten Treuloß Leut

Als die so warhafft und getreu,

Ihr beider Glaub wird da stehn frey.

Dann sie all werden sich befleissen

Gantz gefällig sich zuerweisen

Dem unverständigen grossen Hauffen,

Auch ihren Glaub auff ihn nur schrauffen.

Also daß under ihnen auch

Der ungschickst wird zum Richter braucht

O der schädlichen Schwämm und flut,

O der Mühlichen Sündflutrut.

Ja wol wird sie ein Flut genent:

Dann dise Müh nimpt ehe kein end,

Noch die Erd wird ihr nit ehe gledigt,

Biß daß sie mit gewalt außnötigt

Vil Wassers, welchs plötzlich mit hauffen

Hin und wider herab thut lauffen,

Darmit diselben, so am meisten

Im streit groß müh und arbeit leisten

Werden durchfeuchtet und genetzt,

Und billich darmit so verletzt

Weil ihr Gemüt zu disem streit

So gar durchbittert ist mit Neid

Daß es keinem kurtzumb vergibet

Und kein Barmhertzigkeit nicht übet,

Auch nit gen der Unschuldigen schar

Des Haußviechs, welchs uns ist dinstbar:

Also daß sie on alls erbarmen

Von ihm Adern und wüsten Därmen

Zwar kein Opffer den Göttern pringen,

Sonder ein schnöden prauch erzwingen,

Zu täglichem dienst der sterblichen

Und der täglich zerscherblichen.

Nun laß ich selber euch ersinnen

Wie dise ding all zugehn künnen,

Und was des Runden Gbeues Leib,

Die Himmelsrund gewelbte scheib[424]

Bei solchem unrhüwigem keib

Für Rhu könn han, und was sie treib.

Doch sag ich, daß die allerbesten

So sie bhalten am aller mehsten

Am meysten dahin werden walten

Sie unverderblich zuerhalten:

Doch also, daß sie sehr mit fleiß

Auff ein sonder Manier und weiß

Sich werden ängstlich fast bemühen

Gefenglichen sie einzuziehen,

Und inn ein dienstbarkeit zubringen:

Also das die, die man thut tringen,

Und ängstigen und niderlegen,

Und jagen hin und her mit schlägen,

Nicht haben wird, zu dem sie flieh,

Als dem, der sie gemacht hat hie.

Ja wans zum ärgsten mit ihr staht

Wird die Sonn, als wans nidergaht,

Ein Fisternuß lan über sie,

Die dunckler dan kein Nacht ward nie,

Oder als kein Eclypsis nit,

Und alsdan wird sie gleich darmit

Ihr Freyheit sampt dem Schein von Himmel

Verlieren in eim tieffen Schimmel,

Oder zum wenigsten verlosen

Bleiben inn der Einöd verstosen:

Aber zuvor und ehe sie bstand

Der Undergang, der schad, die schand,

Wird sie ein lange zeit erzeigen

Ein hefftig groß Erbidmen, neigen,

Ja so gewaltsam sich bewegen

Als der Berg Aetna sich thet regen

Da er geworffen ward von hinnen

Auff einen der Titanen Sönen,

Oder als wan Typho der Rieß

Die Affen Insul ins Mör stieß:

Also wird sie inn kurtzen stunden

Bald inn leidigem stand befunden:

Auch so veränderlich, das die[425]

Welche nun han erhalten sie,

Doch sie denselben werden lassen

Die nach der hand sich drumb anmassen.

Folgends geht an die rhüwig zeit

Welche stillt den langwirigen streit:

Dan die gedachten grossen Wasser

Welche sie machen je meh nasser

Thun sie dermassen sehr bemühen

Daß sie müssen einmal abziehen.

Und gleichwol, ehe man also weicht

Sicht man, daß in den Lüfften leucht

Ein scharffe hitz, welche ereugt

Ein grosse Flamm, die drumb aussteigt,

Damit der Wasserflut sie wehr,

Und diß wesen einmal auffhör.

Nach allem, wann diß nun vollführt,

Weiters zuthun sich nicht gebürt

Als daß die Ausserwehlten dann

Mit alln Güttern und Himmlisch Mann

Werden erlabet auff die Schlacht,

Und zum Überfluß Reich gemacht

Mit wolgebürlicher Verehrung

Umb ihre wol erzeigt bewärung,

Auch etlich zu letz außgezogen,

Und diß wird billich so gepflogen

Damit so dise müh und fleiß

Sich endet auff ein solche weiß

Ein jeder hett zu seinem heil

Sein vorbestimpt vorsehen theil:

Inn massen solchs bewilligt ward.

O wie wird der zu jeder fart

Geehrt, so biß ans End verharrt.


Als dise Antiquitet ward außgelesen, holet Gurgelstrozza etliche tieffe Seufftzen darüber, und sagt zu den Umbstehenden. Nun seh ich, es ist der brauch nicht erst heut auffkommen, daß man die, so zur Evangelischen erkantnuß schreiten, verfolget: Aber wol dem, der sich nit ärgert, und von fleischlichen Affecten und neigungen ungehindert und unbetrübt,[426] allzeit nach demselben Zweck zilet, welchen uns der treue GOTT, inn seinem Sohn vorgesteckt hat. Darauff sagt Bruder Onkappaunt: Ihr holts mächtig tieff: was meynt ihr andere, daß durch diese Aenigmatisch Rhätsal verstanden werd? Errhatets, so wirds ein Gerhatsal. Könt ihr sonst Validos Veneris perumpere nodos, so entnodiert unnd beißt mir diesen verknipfften Knopff auch auff, habt ihr änderst gut scharff Nägel unnd spitze Zän. Hie übt euch ihr Knöff und Knebel in Wämstern, ihr Knorrenspalter, ihr Knochensplitterer, ihr Marckbeinsauger, ihr Gordiknöpff hauer. O Alexander Magnus hat mächtig groß Ehr mit Lösung des Gordischen Gurtenknopffs eingelegt, daß man ein Verblümt Emblema unnd Divis hat drauß machen müssen, da ein Sebel inn eirn Zweiffelknopff steckt. Ja hindenauß, wie die Küh Seychen: jeder SchweitzerBaur hets mit seiner Fochtel auch also aufflösen können: Auch können noch zur Knopffnot die Fuhrpech mit ihm Sebelmäsigen Karrenmessern, unnd die Fischer mit ihren Salmenplötzen sehr fertig die Notknöpff auffnöten und aufftödten, wie ein Nuß mit dem Arß: Auch war Gordius, der denselben Knopff vergurtet hat, unnd seiner verknipfflichen Knöpffigkeit halben König der Phrygen ward, ein Fuhrman gewesen, unnd hat so wacker als der best Gespan anschirren können, wie der im Geistlichen Fularwerck. Mein Vatter aber schlug mich darumb wann ich mein Nestel der gestalt auffthat, ob mich auch schon ein angstscheissige Leibsnot bestund, oder ein träppelende Scheiß anstieß. Aber meim Schulmeister wars erlaubt, wann ich inn Nöhten auß sorg der Lochfegung mein Nestel auff allen Ecken, Schantz unnd Schwantzwehren, mit Notknöpffen verknipfft, der schnitt sie mir so lustig auff daß ich Barärssig vor ihm niderfuhl. Ich gewann nichts dran wie ichs macht, ich verknipffts oder verspielts, so kam man mir übers Gesäß: doch schads nichts Lieben Kinder, ihr werd nur groß darvon, es vergeht euch wol biß ihr ein Frauen nempt, solch Nestel auffknipffen und Solve Ligulas verwart vor hoch auffknipffen unnd Henckersknöpffen: besser gezabelt am Declinenden Scamno, als am Undeclinenden Ligno, so ein GalgenPfosten heißt.

Wiewol, meint ihr nicht, daß der Gordisch vergurdtet Zweiffelstrick etwann ein Rhäters gewesen sey von seim[427] Knopff im Bart: Dann ein Knopff an ein Furtz sah ich nie machen. Ja bei dem heiligen Bischoff Gürtelknopff zu Basel ich glaubs.

Derhalben mein Liebe Wamstknöpff, auch ihr Wammst-Knebel, entknöpffet unnd entknebelet mir diesen Meisterlichen Weberknopff: schneidet dapffer inn diesen zusamen gelegten Faden, ich kan ihn wider gantz machen ohn Schaden: Aber trefft ihr mirs nicht, so muß hie diser Keib zur Straff für alle ein Bastonata mit Knöpffen von Barfüsser Corden außhalten. Was darff es viel wesens, sagt Gurgellantua, Ich halt es sey nichts Lecherlichs, es deitet auff den Lauff und die erhaltung Göttlicher Warheit. Bei dem heiligen Sanct Goderan, sprach der Mönch, was kodert ihr hie? diß kompt mit meiner Außlegung gar nicht überein: Es ist des Propheten Märlini Stylus unnd Art zuschreiben: Ihr möcht die wichtigsten und ernsthaffsten Allegorien drüber zu Marckt bringen, die ihr wolt, so halt ich meins theils, kein anderer verstand sey under den gelesenen verzwickten dunckelen Worten darinn begriffen: Dann ein Beschreibung des Katzenspringenden Ballenspils oder Ballenspiligen Katzensprungs. Dann die Anstiffter zum Spiel seind die so sich Partheien, welchs gemeinlich gut Freund seind.

Wann die zwo Schasse vollbracht worden, so seind auß dem Spiel, der so darinn war, unnd der hinein kompt. Man glaubt dem Ersten, welcher sagt, ob der Ball über oder under die Corden sey gangen. Der Schweiß ist das Wasser so anlaufft. Die geremßten Schnür und Netz in den Racketen seind von Hämmel oder Geyßdärmen gemacht.

Die Runde Machina oder das Rund umbwelbt Gebeu ist der Ball, darumb man so unrhüwig ist. Nach dem Spiel erfrischt man sich vor eim guten Feuer unnd ziecht frisch Hembder an, das ist an statt viel Badens, gleich wie den Meidlin das dantzen: Auch zecht unnd Collacioniert man gern hernach, aber die jenigen mit mehrerm lust, so gewunnen haben. Nun gut geschirr, wir wöllens auch geniessen: Studiert nicht zu sehr, dann die nichts können die studieren: Euch aber ist schon geholffen, ihr tragt den Ring schon am fördersten Finger: Wie wann ihr den fördersten inn den hindersten steckten? Habt mir nichts für ein Kübel, wann ich[428] ein Brenckel bracht: Es gieng mir auch offt übel, wann ich die Feder ins Glaß stieß, vermeynend ins Dintenhorn zustossen: Vita verecunda est, Musa iocosa mihi. Welche am meisten von grossen streichen und vilem Bulen singen unnd sagen, die Thaten am wenigsten schaden.

Jedoch, soll unnd muß ich dermal eins wider das fliegengeschmeiß ein Nasenschirm schreiben? Melius non tangere clamo, Qui me commorit, tota cantabitur urbe: Ja tota orbe, dann ich kan auch noch fünff Sprachen ohn Schwätzenschwäbisch, das ist die sechßt, heißt Lügen. Aber nicht halb so wild, es mags einer versuchen: Im folgenden zweiten Buch will ich sie suchen: Es wird mir die Liberey zu S. Victor wol dienen inn die Kuchen: Auch Panurgi weiß, und wider die Dipsodischen dürre dürstige Riesen die Reiß, sampt den Zwerchen welche kamen auß Pantagruels Fürtzen, und den Freulin Zwerchinnen, welche auß seim Wasser theten rinnen: Auch werden mir sehr wol stehn zuhanden, die neu Zeitung von Teuffeln und den Verdampfen, sampt der Zung, darmit Pantagruel, ein gantz Hör deckt, unnd was wunderlichs ihm inn dem Maul steckt. Hie wöllen wir ein ander weisen, daß man den Rabelais nicht umbsonst ein Aristophanem hab geheisen: Jedoch also: mit dem geding, Si mala condiderit in quem quis Carmina, Ius est (merckts ihr Juristen) Iudiciumque esto, si quis mala: Sed bona si quis Condiderit etc. Si quis Opprobriis dignum latraverit, integer ipse, Solventur risu tabulæ, tu missus abibis. O geb Untreu Wein als die Reben, wir wolten all Trincken vergeben. Nun wolan, stirbt mir einmal ein Kuh, will ich euch auch laden zu Gast darzu: Oder kompt ihr lieber zum Speck, so lad ich euch auch, wegen Reimens, zum Seumagen. Haben wir schon kein Gelt, han wir doch gut Kleider, das best Hembd hat kein Ermel. Hie heißts zur schmalen Wart, da ißt man übel und ligt hart, etc.


FINIS.


Win uß.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 421-429.
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