Erstes Kapitel

[139] Die Freude meiner Tante, mich nach einem Jahre wieder zu umarmen, war unbeschreiblich. Sie fand mich größer, männlicher, und wollte einen besondern Zug von Erfahrung in meiner Phisiognomie entdecken.

Ich lächelte schweigend und nahm mir die neue Kammerjungfer ein wenig in Augenschein. Es war noch dieselbe kleine[139] Brünette im grünen Corsettchen, und, wie wie mich dünkte, nichts weniger als zu ihrem Nachtheile verändert.

Auch sie war gewachsen; war noch voller und blühender; aber, wenn ich nicht irrte, auch um ein ganz Theil stolzer geworden.

Diese Vermuthung fand sich durch die Aeußerungen der Bedienten vollkommen bestätigt.

Nach ihrer Aussage, war Röschen die grausamste, widerspenstigste Schöne auf dem Erdboden; und sie würde – meynten sie – eher einen Mann zu ihren Füssen sterben lassen; als einen mitleidigen Blick auf ihn werfen.

»Kinder! Kinder!« – sagte ich – »ihr macht es auch gar zu arg!« –

»Nein gnädiger Herr!« – rief Friedrich der Jäger, ein hübscher, schlanker Bursche – »Gott soll mich verdammen![140] wo die kleine Hexe nicht ein Herz von Stahl und Eisen hat!«

»Hm!« – antwortete ich – der Rechte ist noch nicht gekommen!« –

Friedrich. Ja das sagt sie auch! – und da mögte man gleich! .... Na ich will es noch erleben! –

»Sey ruhig Friedrich!« – unterbrach ich ihn – »es giebt ja der hübschen Mädchen mehr; und ein Bursche wie du, findet allenthalben noch eine Frau.«

»Ja!« antwortete er mißmüthig – »das sagen die Andern auch! – aber wenn man einmal seinen Kopf darauf gesetzt hat; so ärgerts einen doch!« –[141]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 139-142.
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