Viertes Kapitel.

[98] Emilie blieb ohne Licht und setzte sich auf das Bette. – Jetzt oder niemals! dachte Herrmann, verließ seinen Schlupfwinkel, riegelte die Thüre zu und näherte sich dem zitternden Mädchen. Sie seufzte, aber sie ließ sich alles gefallen. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie in seine Arme, und seine Liebkosungen wurden ungestümmer. Tausend feurige Küsse! Tausend zärtliche Angriffe! Die neidischen Gewänder sind entfernt; der schönste Körper berührt den seinigen. Glücklicher Herrmann! Die geheime Sympathie des Herzens schien für dich zu sprechen; du warst glücklich, und Emilie umarmte dich.

Aber auf einmal pochte es an die Thüre. – So mach doch auf! So mach doch auf, Emilie! rief die spaßhafte Dame.

Emilie (schmachtend und ermattet): Warum denn, liebe Tante?

Lassen Sie's nur gut sein! fuhr die Taute an der Thüre fort: sie stellen sich s' erstemal alle so an, aber es geht ihnen nicht von Herzen. Ich hab's auch nicht besser gemacht. Sie müssen[98] nur ein bischen Gewalt brauchen, denn das wollen wir eben haben. – Nun Täubchen, wird's denn bald? Soll denn dein armer Mann die ganze Nacht hier stehen?

Emilie: Mein Mann, liebe Tante? – Aber in dem Augenblick drückte ihr Herrmann den Mund zu. – Einzige! Theuerste! rief er: Ich bin's!

Gott, lieber Herrmann! sagte sie erschrocken, doch ohne erzürnt zu sein.

Verzeihung! Verzeihung! rief er: das Uebermaß meiner Liebe! – und erklärte ihr in zwei Worten das ganze Geheimniß.

Aber wie soll das enden? fragte sie ängstlich indem er seine Liebkosungen erneuerte. Es stirbt mit mir! sagte er: dein Herz ist mein. – Ja auf ewig! erwiederte sie. Die Convenienz! fuhr er fort: niemand soll es ahnen können.

Aber Kind! lief die Tante ernsthaft: so mach' doch endlich einmal auf! Was heißt denn das? Es muß doch auch einmal ein Ende sein.

Gleich! gleich! rief Emilie: nur noch ein Viertelstündchen, liebe Tante! Ich will nur erst ausbeten.

Die Tante: Nun gut! aber wenn du alsdann noch trödelst, so laß ich die Thüre aufbrechen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 98-99.
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