Königgrätz

[263] (Prolog, gesprochen am 12. Juli 1866)


Sie höhnten uns, sie glaubten es zu dürfen;

Was Langmut war, sie nahmen's hin als Schwäche,

Sie warfen uns, zerdeutelt und zerrissen,

Versprechen und Verträge vor die Füße,

Und als in Ruh wir dann das Wort gesprochen:

»Laßt uns, was unser sein muß, nehmt das Eure«,

Da drohten sie: »Versucht's, wir sind am Platz;

Es kost't euch Schlesien und die Grafschaft Glatz.«


Das war zu viel. Es klang zurück die Antwort:

»Wollt ihr den Krieg, wohlan, ihr sollt ihn haben!«

Und nieder von den Bergen Schlesiens, Sachsens,

Auf Wegen, die der Ruhm uns vorgezeichnet,

An Stätten hin, die Siegesnamen tragen,

In Böhmens Kessel stieg das Preußenheer.


Ein heißer Kessel! Manches Kriegeswetter

In Tag und Jahren, die nun rückwärts liegen,

Hat drin die Junihitze schon gebraut,

Doch solche Wetter, wie sie jetzt sich türmen

Und Tag um Tag sich grollender entladen,

Sind selbst in diesem Böhmerkessel neu.

Bei Podol – Mondlicht lag auf allen Feldern –

Zerbricht wie Glas die Eiserne Brigade;

Bei Nachod, in drei Tage langem Ringen,[263]

Hält Löwe Steinmetz seine Beute fest;

Und hügelan – Clam-Gallas mußte fliehn –

Stürmt Friedrich Karl die Straße von Gitschin.


So stand das Spiel; ein siebenfaches Siegen

In sieben Tagen. »Wird der Sieg uns bleiben?«

So zwischen Furcht und Hoffnung ging die Frage;

Noch fehlte die Entscheidung, doch sie kam.


Da, wo die Elbe, die sich nordwärts windet,

Auf kurze Strecke wieder südwärts fließt,

Auf weitem Feld, umstellt von Hügelkuppen,

Bei Festung Königgrätz entbrennt die Schlacht.

An stürmen unter Trommelklang und Pfeifen

Von Altmark, Magdeburg die Regimenter,

Thüring'sche Bataillone, dicht geschlossen,

Sie folgen unter Hurra – all vergeblich;

Sie dringen vor, sie jubeln und sie fall'n.

Der Regen fällt in Strömen, schon ist Mittag,

»Wo bleiben sie?« Es fragen's nicht die Lippen,

Es fragt's nur still das Herz. Da horch, von Westen

Und nun von Osten her in raschen Schlägen,

Roll'n unsre Preußendonner durch die Luft.

»Das sind sie!« geht ein Jubel durch die Reihen,

»Das ist das achte Korps! das sind die Garden!«

Und rechts und links des Feindes Flanke fassend,

So reichen jetzt zwei neue Preußenheere

Dem dritten übers Schlachtfeld hin die Hand.


Im Feuer hält der siebzigjähr'ge König,

Er sieht die Schale sich für Preußen neigen,

Und sieh, zum letzten Stoße, der entscheidet,

Erklingt sein Aufruf jetzt: »Nun, Manstein, vor!«

Ein Hurra ist die tausendstimm'ge Antwort,

Mit weh'nden Fahnen und mit kling'ndem Spiele

An rücken all die Düppel-Bataillone,

Es fällt kein Schuß, die Glieder halten Richtung,

Und ihrem Stoß erliegt der Feind. Er flieht.[264]

Bunt wird das Feld von aufgelösten Massen,

Geschütze, Wagenzüge und Kolonnen,

Ein wirrer Knäuel, alles häuft sich, drängt sich;

»Jetzt ist es Zeit!« und in die flieh'nden Massen

Einhau'n die Unsern. Welch ein Spiel von Farben!

Hier schwarz und weiß die Fähnlein der Ulanen,

Hier silberfarbne Adler auf den Helmen,

Hier rot und weiß die Zietenschen Husaren –

Ein glänzend Schauspiel, glänzender der Sieg.


Ja, Sieg! Er hat die Herzen uns erhoben,

Er gab uns viel, – er hat auch viel genommen;

Ein Tag des Ruhmes, aber schwer erkauft.

'nen Schleier über Not und Tod und Wunden;

Es ziemt uns nicht, das Elend hier zu malen,

Es ziemt uns nur, zu trösten und zu lindern.

In Tod zu gehn war unsrer Brüder Pflicht –

Die unsre heißt: »Vergeßt zu helfen nicht!«


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 263-265.
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