Eduard an Elise

[15] Arbeiten dringender Art zwingen mich, meinen hiesigen Aufenthalt um mehrere Tage zu verlängern. Ich ergreife eine schickliche Gelegenheit, welche sich mir in der Amtsreise unsers Justizraths[15] darbietet, Dich, liebe Elise, in Zeiten davon zu benachrichtigen. Sein Weg nach dem Schlosse des Comthur geht bei unserm Landsitze vorbei, und so paßt sich alles genau zu meinem Zwecke. Du wirst noch diesen Abend von meiner verspäteten Rückkehr unterrichtet, bevor Du im mindesten in Ungewißheit über deren Veranlassung sein kannst. Ich nehme diese Vorsichtsmaaßregeln mehr in meiner als in Deiner Seele, weil mir der Gedanke jeder Unbestimmtheit zuwider und der thätigen Wirksamkeit so überaus hemmend ist.

Auch benutze ich diese Veranlassung, Dich in ähnlichen Fällen zu derselben Aufmerksamkeit zu verpflichten. Vergebliches Warten hat immer den peinlichsten Zeitverlust zur Folge; und einmal aus dem Gleise, in dem man sich bequem fühlt, herausgerissen, werden wir zuletzt auch für das stumpf, was wir herbei wünschten, und das uns nun in einer gewissen Unordnung der Empfindungen überrascht, ohne doch zu befriedigen. Wenn es Dir schwer werden sollte, hierin meinem Beispiele zu folgen, so wird Dich viel leicht die Betrachtung williger dazu machen, daß die meisten Verdrüßlichkeiten und Mißverständnisse im Umgange, aus Mangel rücksichtlicher Beachtung der Lebensordnung herrühren, wodurch, mit der einen Störung,[16] welche Diesen oder Jenen empfindlicher als Andere trifft, zugleich eine allgemeine Erschütterung und eine ganze Kette häuslicher Unbilden hervorgeht. Mit dem Wunsche, Dich und Georg bei meiner Rückkehr wohl zu finden, umarme ich Euch beide zärtlichst.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 1, Frankfurt a.M. 1829, S. 15-17.
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