Antwort

[274] Lieber Sohn! Du erschreckst mich. Du weißt gar nicht, wie sonderbar Dein Brief lautet.[274]

Mein Gott! was ereiferst Du Dich denn über fremde Angelegenheiten! Laß doch den Grafen thun, was er will. Bist Du denn dazu gesetzt, ihn zur Rechenschaft zu ziehen? Was das für Begriffe sind, die Du Dir von Dir selbst und von Deinen Pflichten machst!

Eben erst verheirathet, und für eine Andere den Ritter spielen zu wollen! Du darfst gar nicht mehr an Elise denken. Stelle Dir einmal vor, was Deine Frau sagen würde, wenn ihr solch' Gerücht zu Ohren käme!

Nein, lieber Sohn! jedes Wort, was Du mir sagst, ist mir durch Mark und Bein gegangen. Ei mein Gott! das fehlte noch. Und alles das um das Unglückskind, die Elise!

Die arme Seele! Ja, darin hast Du recht, wenn er sie jetzt täuscht, wenn er sie noch einmal ins Verderben brächte –! Der Himmel müßte ihn strafen. Ich habe es immer gesagt, die erstaunlich klugen Leute, die machen ihre Nebenmenschen nur unglücklich. Hat der Graf nun wohl ein Herz, und kann es mit ansehen, daß die Person, die ihm ihr ganzes zeitliches, und wer weiß, auch ihr ewiges Glück, aufgeopfert hat, sich abhärmt, und vor der Welt die Heitere nur darum spielt, damit man ihn nicht tadeln soll? Sie hat[275] mir vor ein Paar Tagen einen solchen sorglosen, gleichgültigen, kleinen Zettel geschrieben, lieber Sohn! wie Du wohl von sonst her noch von ihr kennst. Ich lege ihn Dir hier bei, Du wirst wohl gleich fühlen, was es damit ist. Mir ward recht beklommen seitdem. Ich glaube aber, es kommt doch hauptsächlich von Deinem Brief, Curd. Gieb ja auf Dich Acht. Ich weiß nicht, Du kommst mir darin ganz anders vor. Ich finde, Du kriegst jetzt etwas von Deinem seligen Vater. Du hast ihn nicht gekannt, und was man so von ihm erzählt, darnach kommt er Dir vielleicht ein Bischen laut und wild, gar nicht so vornehm wie die heutige Jugend, vor. Nun, das ist wahr, mehr Erziehung hast Du, und von dem modischen Wesen, wie jetzt in der Stadt und auf dem Lande getrieben wird, davon hatte seine Seele keine Ahndung. Er war immer draußen auf dem Felde und auf der Jagd, und wenn ich es so deutsch ausdrücken soll, zuweilen war er wohl roh zu nennen. Feinere Manieren hast Du, das ist keine Frage. Aber eine feinere Seele, solch' zärtlich Gemüth, und so gar nicht vergessen können, was er liebte, das hattest Du bis jetzt noch nicht gezeigt. Ich werde ewig daran denken, wie mein seliges Lottchen starb! hat der Mann das wohl[276] je verschmerzen können? Das kleine Bettchen mußte immer bei ihm in der Kammer stehen, und wenn er manchmal noch so lärmend von einer mißglückten Jagd nach Hause kam, und er hing in der Kammer seine Flinte und Jagdtasche an die Wand, dann blieb er wohl bei der leeren Bettstelle stehen, setzte beide Arme in die Seiten, bückte den Kopf, und starrte hinein, als wollte er das Kind mit Gewalt wieder darin sehen. »Hm!« sagte er dann vor sich in Gedanken, halb stöhnend, halb ungeduldig, schnippte mit den Fingern, (was er immer sehr laut und schallend zu thun pflegte) und kam ganz still und in sich gekehrt wieder heraus. Es währte eine Weile, ehe er dann zu irgend einem Menschen sprach. Ja, er hatte ein weiches Herz und ein treues, bis in den Tod. Aber das ist wahr, dem Doktor wurde er nicht wieder gut, seit er ihm das Kind hatte sterben lassen. Er sah ihn nachdem niemals in seinem Hause, und wo er wußte und konnte, ging er ihm aus dem Wege. Einmal trafen sie gerade bei einer Kindtaufe zusammen. Ich mag nicht daran denken, es war ein schlimmer Tag. – Daher weiß ich, daß er unversöhnlich und nachtragend war, wie Du es jetzt auch zu sein scheinst. Das ist aber nicht das beste Erbstück von Deinem Vater. Sei ja auf Deiner[277] Huth. Man kann sich da etwas auf das Gewissen laden, und kriegt es dann nachher nicht wieder herunter. Nicht lange nach dem Kindtaufsschmauße starb der Doktor. Es glaubten Viele, und ich auch, er sei vor Aerger gestorben. Dein Vater that nicht, als denke er weiter daran; aber er ist ihm bald gefolgt. So zieht Eins das Andere nach sich.

Lebe recht wohl, mein lieber Sohn! Bedenke Alles, was ich Dir gesagt habe, und grüße Deine Frau, die ich sehr begierig bin, kennen zu lernen.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 274-278.
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