Madame Lindhof an Sophie

[358] Im Begriff, diese Gegend auf immer zu verlassen, da mein Sohn eine Anstellung in der Residenz erhielt, bleibt mir noch eine traurige Pflicht zu erfüllen; recht, als solle ich hier enden, wie ich anfing, nämlich Glück und Hoffnung zu Grabe tragen zu helfen.

Den Tag, da meine Schwiegertochter beerdigt ward, traf ich in diesem Hause ein, und ist es auch keine Leichenfeier, zu der ich gegenwärtig verpflichtet bin, so ist es doch wohl nicht viel besser.

Ach! gnädiges Fräulein, die wahrscheinliche Bestätigung von dem, was wir fürchten, senkt die Seele in tiefe Trauer. Wie schwer wird es mir, solche über Sie zu verhängen. Doch darf ich kaum mit dem zurückhalten, was ich ohnlängst erfuhr.

Sehen Ihr Gnaden, um Alles im Zusammenhange zu berichten, der Umzug einer Familie, der Transport des vielfachen Geräthes, macht große Sorge und Unruhe. Es mir zu erleichtern, miethete ich einen Raum im Marktschiffe, und ließ diesen mit mancherlei unserer Sachen beladen.

Das Fahrzeug legt gewöhnlich bei Wehrheim an. Die gewandte Frau des Zimmermanns dort,[358] die arbeitsam ist, und sich gern etwas verdient, war mir in den Tagen des Packens zur Hand gegangen, und besorgte auch jetzt das Laden und die Zusammenstellung der Ballen auf dem Schiffe. Passagiere und Fährmann waren ins Dorf gegangen. Die Frau blieb mit ihren Kindern im Schiffe. Diese unterhielten sich nach Kinderart, und während die Mutter das Wehr, von dem sie keine zwanzig Schritte entfernt sind, gedankenvoll betrachtet, es sich zurückruft, wie sie mit demselben Schiffe hier umschlug, und der kühne Graf sie rettete, sagte das älteste Töchterchen: »Ach! wie viel, wie viel schöne Vergißmeinnicht!« Und tritt auf den Steg, der an das Ufer führt, die Blumen zu pflücken. Die andern Kinder folgen. »Es ist ganz blau da,« sagen sie. Die Mutter geht ihnen nach. Sie sieht mit Vergnügen ihrer Arbeit zu. »Ein Band! ein blauseidenes Band hängt da an den Vergißmeinnicht,« ruft das Mädchen. Sie hat es schon, sie zeigt es der Mutter. Eine hellbraune Haarlocke, leicht mit einem Fädchen umwunden, hängt daran. »Gott im Himmel!« seufzt die erschrockene Frau, »das ist des Grafen Band, er trug es noch den letzten Tag um den Hals.«

Gnädiges Fräulein! was soll ich weiter hinzusetzen![359] Sie denken wohl wie Jene, die mir den Vorgang erzählte, und wie ich leider auch fürchten muß.

Hier also! Bei der schnellen Strömung. Er kannte die Stelle wohl. Was diese faßt, reißt sie pfeilschnell mit sich fort. Leider sagt das Band, daß der Graf hier war, und daß er von hier nicht wieder zurück ging.

Fürchtete ich nicht beschwerlich zu fallen, so würde ich es mir nicht nehmen lassen, Ihnen das schmerzliche Andenken selbst zu überbringen; so habe ich es dem Kammerdiener Birkner zugestellt, um es Ihnen, wenn Sie es zu besitzen befehlen, einzuhändigen.

Ich scheide in Thränen, wie ich kam; wie Vieles habe ich hier untergehen sehen!

Des Herrn Präsidenten Besitzung ist nun auch verkauft. Alles ist anders geworden! Nur meine Gesinnungen für Sie, verehrtes Fräulein! und die theuren Personen, die Sie, wie ich, lieben, verändern sich nie.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 358-360.
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