Sophie an Hugo

[244] Ich vergaß Sie zu erinnern, Elisen unser Begegnen mit der gespenstigen Fremden nicht zu erzählen. Es wirft immer einen Schatten auf den hellen Tag zurück, und sie hat diesen so rein genossen! Ich fand sie noch in großer Bewegung am Schreibtisch. Die Augen leuchteten ihr vor Freude, als sie die schönen, langen Wimpern zurückschlug, und mich halb gerührt, halb triumphirend, mit einer Miene ansah, die wohl sagen sollte: Nun, Zweiflerin? ist nicht dennoch Alles gut geworden? Bin ich nicht das glücklichste Geschöpf auf Erden?

Wie wenig paßt zu dem warmen Roth, das in dem Augenblick ihre Wangen färbte, ja wie ein Rosenhauch über sie ausgegossen schien, die blasse Trauergestalt, die so einsam in ihrer Gondel aus der buschigen Erdzunge von Wehrheim hinaus fuhr, und zwischen dem säuselnden Schilf[244] hindurch, unsere Bahn durchschnitt. Schauerlich, sagten Sie, sei Ihnen die Nähe dieser Gemüthskranken. Mir hat ihr unerwarteter Anblick eine kältende Angst in der Seele gelassen, und wirklich muß ich es ein Glück nennen, daß Sie in dem gekrümmten, kleinen Fährmann den Bedienten der Dame erkannten, und dadurch alle Gedanken an Geistererscheinung, von vorn herein verscheuchten, denn in der That, dies plötzliche Erscheinen und an uns Hingleiten, dies Fortbewegen auf dem Wasser ohne hörbaren Ruderschlag, das wispernde Rascheln der Rohrhalme, es hatte viel Spukhaftes! Zudem – ich wette, wurden auch Sie an etwas erinnert, das mir die Brust zusammen zog. Es war eine Aehnlichkeit in der Bewegung der Arme, in der Art, den Schleier rasch zusammenzuschlagen, sich ganz hinein zu wickeln, dieselbe Neigung des Kopfes, ein wenig auf die Seite, und dann nach vorne gebückt. Das nämliche Zusammenziehen des Körpers, so in sich hinein, wie Jemand, der friert. Ich weiß, sie ist leidend! aber es trifft mit der Gestalt zusammen! und dann der Abend, das Halbdunkel! heute gerade! Ich wollte, die Unerfreuliche verließe diese Gegend bald! Ich fragte neulich den Arzt nach ihr. Elise achtete sehr aufmerksam darauf.[245]

Er wußte nicht viel von ihr. Es behandelt sie ein französischer Doktor. Er ist bei der Legation. Er kommt wöchentlich mehrmals aus der Residenz hierher, und geht sodann über das Kloster der frommen Premonstratenser Mönche zurück. Er zeigt nur gleichgültiges Nichtachten bei allen Erkundigungen über die sonderbare Fremde, die ihn wenig zu interessiren scheint, und uns so unbequem ist. Ich schelte mich deshalb. Allein, wenn ich von mir auf Elise schließen darf, so verbergen wir dieser wohl klüglich unser kleines Nachtabentheuer.

Quelle:
Caroline de la Motte Fouqué: Resignation. Theil 1–2, Teil 2, Frankfurt a.M. 1829, S. 244-246.
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