LXV.


Der schlack- und schadhaffte Geist.

[611] Wie sich eine grosse Schlange vielfältig krümmet /und wickelt: also schlängelt und wirket die Seelen-Otter / der böse Geist / seine Händel inn- und durcheinander / um das rechte Haupt seines Anschlages und Ziels desto besser zu verstecken. Er macht allerhand Gauckeleyen den Leuten vor die Augen: damit sie sein rechtes Absehn nicht ersehn sollen: Welches niemals etwas anders ist / als Schaden und Unglück zu thun / fürnemlich den Unschüldigen. Denn weil er ein Verleumder und verdammter ist; führt er / wider die Unschuld / einen unversöhnlichen Zorn und Groll: auff daß er demjenigen / der ihn verdammt und überwunden hat / einen Verdruß / in seinen Gliedern / erzeigen möge. Die Fersen deß triumphirenden Schlangen-treters sitzen ihm nunmehr / viel zu hoch / nemlich zur Rechten GOttes: daher er sie nicht mehr stechen kann: weil aber die Gläubigen auch dahin zu kommen trachten / da Christus ist / nemlich in seine Herrlichkeit; hasst er[611] sie / als Diener und Knechte / ja als geistliche Glieder seines Uberwinders / und richtet auff jedweden derselben / seine Stiche täglich / auff mancherley Weise. Das ist / er trachtet ihnen Schaden zuthun / an Leib und Seele. Damit sie aber sich desto weniger dafür hüten mögen: weiset er nicht gleich den Angel / sondern verdeckt ihn / unter mancherley abentheuerlichen Possen / darein sich die Unfürsichtigen vergassen und vernarren / biß sie sich bethört und übern Tölpel geworffen sehn. Er lässt bißweilen etliche Warheiten (oder vielmehr Verräthereyen) mit unterlauffen / wann er seine Lügen und Lästerungen zu Felde treibt / oder unter die Leute / führt: und vermengt sein gifftiges Unkraut / mit etlichen leeren Weitzen-Hälmlein: und daß er Unlust stifften könne /belustigt er zuvor diejenige / die auff Narrentheidungen verlüstert seynd.

Solches wird / in dieser Geschicht / gnugsam erscheinen / so sich / in einem Dorff am Rhein / zugetragen.

Daselbst that sich ein schalckhaffter Geist hervor /und viel (falsche) Miraculn / machte den Gaffern mancherley Possen-Spiel und Augen-betriegliche Blendungen vor. Daran solche Zuseher / welche seine List nicht merckten / ihre Lust und Kurtzweil hatten /und also manche Stunde / so sie hetten GOtt / und ihrem Beruff zueignen sollen / diesem Ertz-betrieger und Verleiter zuwendeten. Hiedurch hat er je länger je grösseren Gewalt erlangt / den Einwohnern allerley Beschwers und Uberlast zu zufügen. Wie denn allezeit diejenigen / so sich an diesem Wunderthäter ergetzen / zuletzt einen Ubelthäter an ihm finden / und im Ende erfahren müssen /[612] daß alle seine Kunst-Stücke / auf Buben Stücke hinaus gehn.

Anfangs ließ sich der Bösewigt von Niemanden sehen; warff aber / mit der Zeit / nach den Leuten /mit Steinen / und klopffte an die Thüren: bald hernach verbarg sich der höllische Spitzbube unter einer menschlichen Gestalt / und beantwortete die / ihm auffgegebene / Fragen; entdeckte auch bald diesen /bald jenen Diebstal / nebenst andren Unthaten; beschuldigte aber offt auch manchen Unschüldigen / und warff vielen Leuten eine Kletten an: daraus grosser Unwill / Zwietracht / und Hader / entstund. Er fing gleichfalls an / nach und nach / Hütten und Scheuren anzuzünden / und manche gar abzubrennen.

Einem gewissen Mann aber setzte er insonderheit hefftig zu: wo derselbe ging und stund / stellete er sich ihm an die Seiten / und brannte ihm sein Haus ab. Er / verhetzte / wider ihn / die gantze Nachbarschafft dermassen / daß er seines Lebens nicht sicher genug war: indem der Ertzlügner und Verleumder ihm aufstichtete / um seiner vielen Ubelthaten willen wäre diese Ort verflucht und verschreyt: also muste der gute Mann / unterm freyem Himmel / bleiben. Denn Jedermann scheuete und meidete ihn / als einen Menschen / an dem lauter Flüche klebten / und der den bösen Geistern zur Plage übergeben wäre: weßwegen er nirgends eingenommen / noch beherbergt ward /gleich als ob er die Pestilentz am Halse hette. Wollte nun der Mann / in der Nachbarschafft / seines Lebens sicher seyn; so muste er / zur Bewehrung seiner Unschuld / ein glüend Eisen in Händen tragen:[613] und weil ihn selbiges nicht verletzte / ließ man ihn endlich aus dem Verdacht. Nichts destoweniger hat ihm dennoch der vermaledeyte. Geist / auff dem Acker / sein Getreyde angezündt. Weil dann von Tage zu Tage / dieser Verfolgter noch verhasster / und zum allgemeinen Scheusal ward: brachte man zuletzt die Sache / für den Bischof von Mäintz. Welcher hierauff etliche Priester abfertigte / die das Feld daherum / mit Weihwasser / und geweihetem Saltz / besprengen sollten. Darauf gab der Bösewigt anfänglich nicht viel; sondern warff etliche mit Steinen / daß sie bluteten: Als man aber / mit dem Gebet / und Beschwerungen / angehalten; hat er endlich auffgehört zu toben / und sich nirgends mehr hören noch sehn lassen.

Diesen / oder dergleichen Verlauff findt man / bey unterschiedlichen alten Scribenten; sonderlich beym Sigeberto / und Vincentio / wie auch Wierio1 Es würde aber zweifels-ferrn der Höllen-Bube keine Macht bekommen haben / so viel Unwesens anzurichten; wann die fürwitzige Leute sich nicht hetten / mit ihm / in die Rede begeben / und mit seinen Possen ihren Schertz getrieben. Mit Leuen / Leoparden / und Bären / ist nicht gut schertzen; vielweniger mit dem Teufel / gegen dem die Leuen eitel Schäflein seynd. Wer den vermeynten Mirakuln deß Teufels seine Augen und Lust verfändet; der handelt viel ungereimter / als ob ein Fürst / an einer springenden und hüpffenden Sau / seine Ergetzlichkeit suchte / und verunehrt GOtt / indem er den Feind GOttes so viel achtet /daß[614] daß er seinen Gauckelwercken gern zusihet: Denn der verdammte Geist soll / in eines Christen Augen /viel zu gering dazu / ja lauter Greuel seyn.

Fußnoten

1 Lib. 2. c. 22. de Præstig.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 611-615.
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