LXXXV.


Der Schiffbruch-Spötter.

[913] Bernhardus, der gottselige alte Kirchenlehrer /spricht: Diabolus, in pœnam suam, locum in aëre medium inter cœlum & terram, de cœlo cadens, sortitus est, ut videat & invideat, ipsâque invidiâ torqueatur; scripturâ dicente: Peccator videbit & irascetur, dentibus suis fremet, & tabescet.1 Der Teufel hat / nachdem er vom Himmel gefallen / zu seiner Straffe seine Stäte / mitten in der Lufft / zwischen Himmel und Erden /[913] bekommen: daß er sehe und neide / und durch den Neid gequält werde / etc.

Hiemit hat er Zweifels-frey darauf gezielt / daß die heilige Schrifft die Teufel nennet böse Geister unter dem Himmel / und den Fürsten / der in der Lufft herrschet.2 Solches begreifft unterschiedlichen Verstand; und kann die Lufft daselbst so wol geistlich /als recht eigendlich genommen werden. Geistlich / für die Eitelkeit / Hochsucht / und dergleichen; eigend-und leiblich aber / für das rechte natürliche Element der Lufft: als darinn der Satan / auf GOttes Zulassung / offt Sturm und Ungewitter erregt. Daß ihm aber / in diesem Element / eine Stäte und Aufenthalt zugeschrieben wird / geschicht nicht deß Sinnes / als ob er nicht eben so wol auf Erden / und auf- oder in dem Wasser / herum terminirte: sondern / meines Erachtens / darum / weil ihm kein höherer Sitz erlaubt ist /als in der Lufft / und er / ans Firmament / gleichsam nicht riechen darff: wie auch deßwegen / daß die fürnehmste böse Geister / und Fürsten der Teufel / mit einer grössern Menge / sich vermutlich in der Lufft /als unter der Erden / oder unter dem Wasser / auf halten: sintemal sie / in der Lufft / so wol denen Menschen / die auf Erden / als andren / die auf dem Wasser sich befinden / am bequemlichsten zusetzen / und ihren Wandel beobachten können: Oder / weil die Teufel / als hochmütige und stoltze Geister / lieber und häuffiger in der Höhe / als in der Niederung / herumflattern / und daselbst vielleicht ihre Rahtschläge öffterer / als auf- oder unter der Erden /[914] oder im Wasser / halten. Oder auch darum / weil vielleicht GOtt der HErr ihnen / als gefangenen Ubelthätern / unterschiedliche Gegenden und Elementen / zu Kerckern gesetzt / und die grösseste Menge also in die Lufft /als in einen weitläufftigen Kercker / gebannet hat: auf daß sie / durch den Schall und Klang der Göttlichen Lehre / womit die Menschen begnadet seynd / vermittelst ihres hefftigen Neids / gequält werden; wie es /obgesetzter Massen / S. Bernhard erklährt.

Dieses ist ein Mal gewiß / daß der Teufel uns Menschen kein Glück / weder zeitliches (es sey denn auf Betrug angesehn) noch ewiges gönne / sondern alles Unglück: gestaltsam er den Tod / und allen Jammer /darum in die Welt eingeführt / daß wir allhie / an stat deß Paradises / ein Jammerthal bewohnen / und nach unzehlich-vieler Mühseligkeit deß Todes sterben mögten. Wie derhalben unser Wolergehn ihm ein Stachel in den Augen; also ist unser Ubel-gehn seinem Anblick eine Rose / und jauchtzender Triumph. Darum frolockt er nie so sehr / als wann er viel Menschen zugleich in Noth und Tod kommen siht; kann sich auch offtmals nicht enthalten / solche seine Schaden-Freude / und schöne Gunst / durch gespenstische Erscheinungen / so wol zu Wasser / als zu Lande / zu entdecken / und uns damit zu trutzen.

Im Jahr 1558 / wollten fünff reichbeladene Schiffe von Cochin nach Portugall segeln: welche aber alle verunglückt / biß auf ein einiges / welches zu Lyssabona endlich anlangte. Wie es den andren vieren ergangen / davon hat besorglich die[915] See alle Nachricht /samt ihnen selbsten / verschlungen. Nur / von Zerscheiterung gemeldten Schiffs / S. Benedicts / hat man etwas in Erfahrung bekommen / durch den Mesquitam Perestrellium: welcher seine Haut davon gebracht / und das grosse Elend / so er / samt denen wenigen / Gefährten / die dem Tode damals entschwommen seynd / ausgestanden / selbst hernach beschrieben.

Nachdem besagtes Admiral-Schiff / S. Benedict /von den Sturmwinden angegriffen und hefftig bestritten worden; hat es sich zwar eine Zeitlang / mit schwitzender Arbeit / gewehrt / zuletzt aber doch /bey dem Vorgebirge der guten Hoffnung / alle seine Rettungs-Hoffnung eingebüsst: sintemal der Strand daselbst ihm gleichsam den letzten Hertzens-Stoß /und die Zerscheiterung gegeben hat. Unter wärendem Sturm / begegneten diesen Leuten mancherley Schreck-Gesichter / und Abentheuren / von den Gespenstern. Als aber der letzte Sturm / welcher ihm den Rest ertheilte / obhanden war; liessen sich / in der Lufft / viel Teufel / und böse Geister sehen; welche einen Jubel-Reigen hielten / und dadurch ihre Ergetzung an der Todes-Angst dieser Mühseligen vernehmlich gnug machten.

Als nun das Schiff endlich brach / und einen Jedweden zum Schwimmen nöthigte; ertruncken über zwey hundert Menschen. Die übrige kamen zwar an Land; doch sehr kranck und fast tödtlich schwach. Gleichwol erholten sie sich noch wieder in etwas /und gingen / oder krochen / zu Lande / fort / so gut sie kunnten.[916]

Indem sie sich aber auf den Weg begaben; hörten sie / zu Nachts / die / allda herumschweiffende / Geister schreyen und pfeiffen / nach solcher Art und Weise / wie auf den Schiffen geschicht: Und seynd dieser dem Meer entflohenen Leute / deren drey hundert waren / auf dem Lande / durch mancherley Unfälle / zwey hundert und sieben und siebentzig umgekommen / also / daß nur drey und zwantzig am Leben geblieben: die hernach / von den Portugisischen Handelsleuten ausgelöset worden.3

Bißweilen stellen die bösen Geister das obhandene Unglück / ohn solch äusserliches Frohlocken / vor / in einer traurigen Gestalt. Aber solches geschicht dennoch nicht aus Mitleiden; sondern eben so wol nur aus Spott und Belustigung an dem bevorstehendem Verderben / Untergange / oder Elende der Seefahrenden.

Als im Jahr 1660 vier Holländische Schiffe / von Batavia; ablieffen / um nach Bengala zu segeln; stieg unterwegs der Botsleuten Einer auf dem Jagt-Schiffe Ter Schelling / so mit fünff und achtzig Menschen /und acht und zwantzig Kriegs-Stücken / besetzt war /in das so genannte Kabel-Loch / um daraus etliche nöthige Seilen zu holen: und ward allda eines Gespenstes ansichtig / welches / in Gestalt eines gantz ausgehungerten Menschen / mitten unter etlichen Todten / im Meer zu schwimmen schien. Solches kunnte zwar Niemand sehen / denn er allein: doch merckte man leicht / daß er was Ungewöhnliches müsste[917] gesehn haben: sintemal er sich / nach der Zeit / gantz veränderte / und diese Abentheuer sehr tieff zu Hertzen zoch. Er ward gantz wehmütig / still / und traurig; da er doch zuvor ein lustiger Gesell war. Ja! es verdroß ihn / wann die Schiffleute nur ein leichtfertiges Wort redeten; bestraffte sie darüber / mit Vermahnung / sie sollten an GOtt gedencken / und denselben demütig bitten / damit das / was ihnen bevorstünde /mögte abgewendet werden. Uberdas wünschte er /daß einem Jeden mögte gezeigt werden / was er gesehn; auf daß man sich beyzeiten mögte bessern. Denn es waren ihrer Viele / welche mehr damit spotteten / als daß sie sich sollten geförchtet haben. Allein die Zeit hat sie gnugsam unterrichtet / wie unsinnig ihr Gelächter gewesen: sintemal ihnen bald hernach ein Schiffbruch viel Leute verschlungen / und die übrige in abscheuliche Hungers-Noth gesetzt / darinn ihrer Viele verschmachtet / die Andren aber / in grossem Elende / und Lebens-Gefahr / unter den Heiden /herum geterminirt; biß sie endlich / mit äusserster Mühe und Noth / wiederum heimgelangt zu den Ihrigen. Wovon die Umstände in der ausführlichen Beschreibung dieses Schiffs Ter Schelling / so dem Reisebuch deß Schultzens beygedruckt ist / mit Mehrerm zu lesen.

Fußnoten

1 Bernhardus Sermon. 54. sup. Cantis.


2 Ephes. 2. v. 2.


3 Petrus Maffejus lib. 16. p.m. 317. S. auch den Ost-Indischen Lustgarten / am 1385 Blat.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 913-918.
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