XCVIII.


Der schwartze Werckmeister.

[1076] Die Arbeit der bösen Geister besteht darinn / daß sie dem Menschen ein Unglück zimmeren / und dasjenige / was nicht allein der Heilige Geist / sondern auch die Natur / an uns / hat gebauet / nach äusserstem Vermögen abbrechen und ruiniren / die Tugenden in Laster /die Leibesgesundheit in Kranckheit / das Leben in den Tod verkehren. Hierum bemühen sie sich / auf unzehlich-vielerley Art und Weise / und gebrauchen sich täglich neuer Erfindungen.

Wer / von diesen schädlichen Baumeister / keine Zerstörung seines Seelen- oder Leib-Gebäues / leiden will; der muß ihnen täglich / mit dem gläubigen Gebet / und christlichem Wandel / entgegen arbeiten / und GOtt / um den Schutz seiner heiligen Engel / fleissig anruffen; auf daß er / weder für dem Grauen deß Nachts / noch deß einsamen[1076] Tages / an furchtsamen Oertern / dörffe erschrecken.

Insonderheit hat man sich / bey antretenden Reisen / dem Höchsten fleissig zu empfehlen: sintemal Einer / wann er auszeucht / nicht wissen kann / wie er wieder heimkomme; bevorab Einer / der allein reiset. Der höllische Mordgeist hat alle Wege und Stege deß Menschen mit Stricken belegt / und mit tückischer Hinterlist besetzt: Wie solches im Jahr 1526 / ein Sicilianischer Handelsmann / um ein gar theures Lehrgeld / nemlich mit Einbuß seines Lebens / erlernen müssen.

Derselbe ist / von Catana gen Messina, gezogen /und / am 21 Mertzen / zu Terminio eingekehrt / allda er / die Nacht über / verblieben. Folgenden Tags setzt er sich / in aller Frühe / wiederum zu Pferde / und hatte die Stadt noch nicht weit hinter sich gebracht /als ihm zehen Männer begegneten / die er für Maurer ansahe; weil sie / mit dergleichem Werckzeug beladen waren. Er fragte / Wohinaus? Sie antworteten gen Montgibello. Nachdem er ein wenig weiter geritten /traff er wiederum zehen andre an / und empfing auf gleiche Frage / von ihnen gleiche Antwort; mit diesem Anhange / daß ihr Meister sie ausgeschickt hette /wegen eines vorhabenden Gebäues zu Montgibel. Der Kauffmann fragt: Was für ein Meister? Darauf antwortet ihrer Einer: Ihr werdet ihn bald sehen.

Bald darauf begegnet ihm / eben auf derselbigen Landstrassen / ein Riese / mit einem sehr langen / und Raben-schwartzem Bart. Welcher ihn / ohn einigen Gruß / und andre Vorworte /[1077] fragt / Ob er nicht unterwegs seine Werck- oder Arbeits-Leute angetroffen? Er berichtet / daß ihm etliche Maurer begegnet / welche vorgegeben / daß sie auf Montgibel gehen sollten / um allda etwas aufzubauen / weiß nicht auf wessen Befehl. Wann ihr derselbe seyd / (that er hinzu) der solches Gebäu vornimt; so mögte ich wol gerne wissen / wie ihr / auf solchem Berge / zu bauen vermeynt / der doch immerzu mit Schnee bedeckt ligt / und zwar so tieff / daß der beste und stärckste Fußgänger / der gefunden werden mag / seine Füsse tapffer brauchen muß / und gnug zu thun hat / wann er daraus kommen will. Der schwartze Baumeister antwortet / er wisse schon Kunst und Mittel genug / nicht allein dieses / sondern noch wol viel schwerere und grössere Dinge zu vollziehen / wanns ihn gelüste / und er selbst / der Kauffmann / ob er gleich / auf diese seine Rede nicht viel zu halten schiene / dennoch solches selber gar bald / mit seinen eigenen Augen / erfahren würde. Nach dieser Rede /ist er alsofort / in der Lufft / verschwunden.

Der Kauffmann erschrack darüber so hefftig / daß er nicht allein im Angesicht gantz erblasste / sondern auch einen Schwindel bekam / und auf dem Pferde sich kaum erhalten kunnte / ja schier in eine Ohnmacht gefallen wäre. Dieses zwang ihn / wieder umzukehren / nach der Stadt Torminio. Allda er glaubwürdigen Leuten erzehlte / was ihm zu Gesicht gekommen; auch / wegen schwacher Leibs-Befindung /alsofort seinen letzten Willen kürtzlich aufsetzen ließ / und / nach Versorgung[1078] seines Gewissens / noch selbigen Abends den Geist aufgab.1

Bey angehender Nacht deß folgenden Tages / als den 23 Martii / erhub sich ein grausames Erdbeben /und von der Spitzen deß Berges Gibel / schlug mit erschrecklichem Brausen ungewöhnlich-viel Feuers heraus / welches / an derselben Seiten / mit hefftigem Ungestüm herum fuhr. Weßwegen die bestürtzte Einwohner zu Catana zusammen lieffen / und GOtt um Gnade anfleheten / auch / mit ihrem Gebete / so lange anhielten / biß das Feuer abzunehmen / und zu erleschen / begunnte.

Fußnoten

1 Gilbert. Cousin. lib. 8. Collection. & Narration. apud Authorem Gallicum S.G.S.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1076-1079.
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