Prologus.

[9] Dvrchläuchtig, Hochgeborne Herrn,

Ewer F. G. zu Ehrn,

Auch diesem Frawenzimmer zart,

Recht Fürstlicher vnd Edler art,

Zu vnderthänigem gefalln,

Deßgleichen auch den andern alln,

Was Stand vnd Würd ein jeder sey,

Ein Grafe, Ritter oder Frey,

Hand wir auff dißmal fürgenommn,

Ein alte Gschicht vnd alts Herkommn,

Fraw Wendelgart auß Sachssen Land,

Vor alten zeiten wol bekannt,

Spielweiß zu halten in dem Saal,

Wie dem ergangen mit jhrm Gmahl.

Darumb merckt auff, vnd schweiget still,

Den Inhalt ich erzehlen will,

Wie sich die Gschicht hab zugetragn,

Vor vielen Jarn, in alten Tagn.

Als man jetzt zalt Neunhundert Jar,

Vnd Fünffzehen sags euch für war,

Ein reicher Graff in Torgew saß,

Der Herr deß gantzen Lintzgew waß,

Auch zu Montfort, vnd im Reinthal,

Zu Buchhorn hielt er sich damal,

Graff Virich mit seim Nam genannt,

Dem Keyser Conrad wol bekannt,

Auß Keyser Carlins Stamm geborn,

Der hett ein Gemahl außerkohrn,

Von Sächsischem Fürstlichen Stammn,

Fraw Wendelgart mit jhrem Nammn,[9]

Die Hertzog Henrichs Tochter war,

Den Keyser Conrad nit ohn Gfahr,

Zum Römschen Keyser hat erwehlt,

Das er nach jhme würd gezehlt,

Man hat jhn Henrich Vogler gnent,

Ein gwaltigr Herr im Regiment,

Vnd als wir hörn von unsern Altn,

Hat er den erstn Turnier gehaltn,

Zu Maydenburg, ich sags fürwar,

Ist länger denn Sechshundert Jar.

Als nun Graff Vlrich wol gemelt,

Zu Buchhorn seinen Hofe hielt,

Begab es sich in gmeltem Jahr,

Nit ohne Schadn vnd groß Gefahr,

Das durch ein Kriegsmacht vberzogn,

Die Vngern mit jhre Flitschn vnd Bogn,

Das gantze Nortgew weit vnd breit,

Verhergten Land, Leut, Vieh vnd Weid,

Den zog ermelter Graff entgegn,

War aber im Streit vnden glegn,

Vnd lebendig gführt ins Hungr Land,

In dienstbarkeit vnd harten Stand,

Wie mit den Christen pflegn jetzund,

Die grewlichen Türckische Hund,

Vnd als mans hielt für gwisse Mär,

Das dieser Graff vmbkommen wär,

Da zog sein Gmahl, Fraw Wendelgart,

Das Fürstlich Frewlin keusch vnd zart,

Mit willen Bischoffs Salomon,

Der auch Abt was z Sanct Gallen schon,

Begab sich in ein Kloster Lebn,

Vnd wurd ein Cläußnerin da ebn,

Bei S. Wibraden Zell in Gott,

Da zu verharren biß in Todt,

Doch jhrem Herrn von eygner Haab,

Zu Buchhorn machet sie ein Grab,

Darinnen doch kein Cörper lag,

Auch ordnet sie jhm ein Jahrtag,[10]

An dem sie mit jhr eygen Hand,

Den Armen gab in jhrem Land.

Als nun vier Jahr hin gflossen warn,

Vnd sie nit anderst hett erfahrn,

Dann jhr Graff Vlrich war vmbkommn,

Hat sie vom Abt vrlaub genommn,

Den Jahrtag wider zu begann,

Nach jhrem Brauch vnd guten Wahn,

Zog also selbs nach Buchhorn hin,

Gar trawriglich mit Mut vnd Sin,

Die Gottsfürchtig Fraw Wendelgart,

Hielt mit jhrm Son Graff Adelhart,

Graff Vlrich seelig sein Jartag,

Als einem Todten nach gmeiner Sag,

Vnd gab den Armen reichlich auß,

Almosen von dem Gottes Hauß.

Sieh zu, dazwischen kömpt jhr ebn,

Graff Vlrich, der war noch bey Lebn,

Vnd seiner Gfäncknuß worden loß

Doch kam er elend, nacknd vnd bloß,

Vnd eben auff denselben Tag,

Das ich euch bey der Warheyt sag,

Zu Buchhorn eyn zog, wie gemelt,

Der hett sich vndr die Bettler gstelt,

Vnd als er Wendelgart ersah;

In jhrem Weyler, da geschah,

Das er auch in eins Bettlers weiß,

Ein Gaab begert mit allem fleiß,

Fraw Wendelgardt jhn nit erkannt,

Da hielt er sie bey jhrer Handt,

Vnd küßt sie wider jhren willn,

Damit sein Liebe zu erfülln,

Behend die Diener lieffen her,

Vnd schlugen auff den Bettler sehr,

Da gab er sich bald zerkennen,

Fraw Wendelgart mit Namn nennen,

Zu stundt ward er von jhr erkannt,

Nam sie mit Frewden in sein Handt,[11]

Vnd wider zu eim Gmahel an,

Mit willen Bischoffs Salomon,

Der sie von jhrer Kloster Glübt,

Deßhalb sie wäre noch betrübt,

Mit allen Frewden Absoluiert,

Vnd wider zu jhrm Gmahel führt,

Ein frölich Hochzeit da anfieng,

Nun schweigt, so werd jhr alle ding,

Nach längs erhören, wies erging.


Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 9-12.
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